1356
Männer brachen in Häuser ein, sie benutzten Hämmer und Äxte, um die Holztüren einzuschlagen. Die meisten Bewohner waren in die Cité geflohen, doch einige wenige Narren waren geblieben, weil sie hofften, ihren Besitz verteidigen zu können. Die Armee war so unvermittelt aufgetaucht, dass keine Zeit gewesen war, alles Wertvolle über die Brücke und hinauf zu den riesigen Stadttoren zu bringen, von denen die mächtige Zitadelle auf dem Hügel geschützt wurde. Zwei Tote lagen im Rinnstein, der in der Mitte der Straße verlief. Sie trugen das Wappen von Armagnac mit den vier Löwen. Es waren Armbrustschützen, die bei der aussichtslosen Verteidigung der
Bourg
getötet worden waren.
Fra Ferdinand kannte die Stadt nicht. Er suchte nach einem versteckten Weg zum Fluss, ging durch dunkle Gassen und enge Durchlässe. Gott, dachte er, war bei ihm, denn er begegnete keinem Feind, als er ostwärts hastete, doch dann kam er zu einer breiteren Straße, die von Bränden erleuchtet war, und er sah die lange Brücke und dahinter, hoch auf dem Hügel, die vom Feuer angestrahlten Mauern der Cité. Die Mauersteine leuchteten rot im Abglanz der in der
Bourg
lodernden Flammen. Die Mauern der Hölle, dachte der Mönch, und dann nahm Rauch ihm den Blick auf die Mauern, jedoch nicht auf die Brücke, deren westliches Ende von Bogenschützen bewacht wurde. Englische Bogenschützen mit dem roten Kreuz auf ihren Wappenröcken und ihren tödlichen Bögen. Zwei Reiter mit Kettenrüstungen und Helmen waren bei ihnen.
Unmöglich, über die Brücke zu kommen, dachte er. Unmöglich, in die Sicherheit der Cité zu gelangen. Er kauerte sich nieder, dachte nach, und dann schlich er zurück in das Gassengewirr. Er würde nach Norden gehen.
Er musste eine Hauptstraße überqueren, die von neu gelegten Feuern erhellt war. Eine Kette, eine der vielen, die über die Straßen gespannt worden waren, um die Eindringlinge aufzuhalten, lag im Rinnstein, wo eine Katze aus einer Blutlache trank. Fra Ferdinand eilte im Laufschritt durch das Licht des Feuers, tauchte in die nächste Gasse ein und lief weiter. Gott war immer noch bei ihm. Die Sterne wurden von funkendurchwirbeltem Rauch verdeckt. Er überquerte einen Platz, geriet in eine Sackgasse, ging zurück und wandte sich wieder nach Norden. Eine Kuh brüllte in einem brennenden Gebäude, ein Hund, der etwas Schwarzes, Tropfendes im Maul hielt, kreuzte seinen Weg. Er kam an einer Gerberwerkstatt vorbei, sprang über die Tierhäute, die übers Straßenpflaster verstreut lagen, und dann hatte er den Erdwall vor sich, die einzige Verteidigungsanlage der
Bourg
, er stieg hinauf, und dann hörte er einen Ruf, drehte sich um und sah, dass er von drei Männern verfolgt wurde.
«Wer bist du?», rief einer.
«Halt!», brüllte ein anderer.
Der Mönch beachtete sie nicht. Er hastete den Abhang hinunter und wandte sich zu der dunklen Landschaft, die jenseits des Erdwalls und der dahinter errichteten Ansammlung von Hütten lag. Ein Pfeil zischte an ihm vorbei, verfehlte ihn durch die Gnade Gottes um einen Fingerbreit, und er wich seitlich in einen Durchgang zwischen zweien der kleinen Häuser aus. Ein stinkender Misthaufen erhob sich dort. Er rannte vorbei und sah, dass der Durchgang an einer Mauer endete, und als er sich umdrehte, hatten ihm die drei Männer den Weg abgeschnitten. Sie grinsten triumphierend.
«Was hast du bei dir?», fragte einer von ihnen.
«Je suis Gascon»
, sagte Fra Ferdinand. Er wusste, dass die Eindringlinge Gascogner und Engländer waren, und er sprach kein Englisch.
«Je suis Gascon!»
, wiederholte er, während er auf die Männer zuging.
«Ein Predigermönch», sagte einer der Männer.
«Aber warum ist der gottverdammte Bastard vor uns weggelaufen?», fragte einer der Engländer. «Du hast was zu verbergen, stimmt’s?»
«Hergeben», sagte der dritte Mann und streckte die Hand aus. Er war der Einzige, der einen Pfeil bereithielt, die anderen hatten ihre Bögen über die Schulter gehängt und Schwerter in der Hand. «Komm schon, Arschgesicht, gib’s mir.» Der Mann wollte nach
La Malice
greifen.
Die drei Männer waren halb so alt wie der Mönch, und weil sie Bogenschützen waren, vermutlich doppelt so stark, aber Fra Ferdinand war ein fähiger Waffenknecht gewesen und hatte seine Schwertkunst nie verlernt. Und er war wütend. Wütend über all das Leid, das er gesehen, und die Grausamkeiten, von denen er gehört hatte, und diese Wut machte ihn wild. «Im Namen Gottes», sagte
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