1362 - Die Rivalin
entscheidende Rolle.
Camilla stoppte ihre Bewegungen. Sie hatte einen Entschluss gefasst. Den Eindruck machte sie auf Jane.
»Gut!«, sagte sie und streckte Jane den linken Zeigefinger entgegen. »Ich habe verstanden, aber ich werde deshalb nicht aufgeben.«
»Was heißt das?«
Sie grinste scharf. »Ich werde bleiben und auf sie warten.«
Damit hatte Jane Collins bereits gerechnet. Trotzdem schoss ihr eine Lohe bis in den Kopf hoch und rötete das Gesicht. Sie brauchte nicht viel Fantasie einzusetzen, um zu wissen, was es für sie bedeutete, wenn diese Unperson hier wartete. Sie würde nicht auf Nahrungssuche gehen müssen, denn das frische Blut befand sich in ihrer Nähe. Wenn sie wollte, konnte sie Jane in Intervallen leer trinken und es so in diesem Haus verdammt lange aushalten. Sie würde Jane Collins auch unter Kontrolle halten müssen, damit sie nicht telefonierte und Hilfe holte. Wenn diese Camilla über Justine Bescheid wusste, dann kannte sie bestimmt auch die näheren Umstände und wusste, mit wem sie verkehrte. Dabei würde sie dann zwangsläufig auf den Namen John Sinclair stoßen.
Aber Jane erwartete auch keinen Besuch. Auch nicht von ihrem Freund John. Zudem hatte sie lange nichts mehr von ihm gehört, was nicht hieß, dass er verschollen war.
Camilla ließ sie nicht aus dem Blick. Jane kam sich vor, als wäre sie in der Lage, ihre Gedanken zu stoppen, was dann eintrat, als sie Jane ansprach.
»Du wirst so lange meine Gastgeberin sein, bis Justine zurückkehrt. Und ich weiß, dass sie kommen wird.«
Die Detektivin wollte dagegen sprechen. Sie hatte nicht den Mut dazu. In einer hilflos anmutenden Bewegung hob sie die Schultern an. Wenn sie sich jetzt wehrte, würde Camilla Ernst machen, und ihr Blut wollte sie behalten. Noch hatte die Vampirin nicht damit gedroht, sie leer zu saugen.
Camilla winkte mit dem Zeigefinger. »Wir gehen nach oben!«, befahl sie.
»Gut.« Jane setzte ihr rechtes Bein vor. Beim Auftreten spürte sie wieder den Schmerzblitz in ihrem Kopf und verzog für einen Moment die Mundwinkel.
»Bist du zu schwach?«
»Ja. Kein Wunder!«
»Du hättest sofort öffnen sollen.«
Wahrscheinlich!, dachte Jane. Aber dazu war es jetzt zu spät. Sie musste sich den Dingen fügen, auch wenn sie sich dabei vorkam wie eine Gefangene im eigenen Haus.
Als sie in Camillas Nähe geriet, konnte sie ihren Geruch wahrnehmen. Den konnte Jane nur schwerlich beschreiben. In Camillas Geruch wehte etwas von dem Gestank alter und muffiger Kleidung, aber so genau traf das nicht zu.
Da war etwas anderes.
Blut!
Ja, es war Blut. Kein frisches Blut, sondern altes und stockiges, wie man es nur selten riecht.
Wie alt war diese Unperson tatsächlich? Hatte sie schon Hunderte von Jahren auf dem Buckel und war durch das Trinken des menschlichen Bluts immer wieder erneuert worden?
Kannte sie Justine möglicherweise aus der alten Zeit? Wenn ja, dann war es durchaus möglich, dass auch jemand wie Justine Cavallo schon andere Zeiten erlebt hatte.
Fragen, auf die Jane jetzt keine Antworten fand. Dafür fasste Camilla sie an.
Es war ein harter Griff, der Janes Oberarm umklammerte. Er sollte auch beweisen, wer hier das Sagen hatte, und so musste Jane sich wieder fügen.
Sie wurde aus der Küche in den Flur gezogen. Dort blieb sie für einen Moment stehen, was Jane auch gut tat.
»Du lebst oben, wie ich sehen konnte?«
»Ja.«
»Dann gehen wir hoch.«
Camilla ließ Jane nicht los. Irgendwie war es auch gut, denn das Alleingehen hätte Jane Probleme bereitet, denn sie fühlte sich nach dem Niederschlag einfach noch zu schwach.
Sie gingen auf die Treppe zu.
Camilla fragte: »Du wohnst hier allein?«
»Nein. Außer…«
»Ich weiß Bescheid. Aber sonst bist du allein hier, nicht wahr?«
»So ist es!«
»Erwartest du Besuch?«
»Wie…«
Sie blieben stehen. »Ich will wissen, ob heute Abend noch jemand zu dir kommt. Und lüg mich nicht an.«
Jane schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste!«, flüsterte sie.
»Es hat sich niemand angesagt.«
Camilla schaute ihr in die Augen, als wollte sie herausfinden, ob Jane tatsächlich die Wahrheit gesprochen hatte. Nach einigen Sekunden nickte die Blutsaugerin.
»Ich glaube dir. Komm weiter.«
Jane freute sich, diese Hürde übersprungen zu haben. Es war tatsächlich so. Sie hatte nicht gelogen. Ein Besuch war nicht angesagt.
Nicht von ihren Freunden und auch nicht von ihren Klienten, durch deren Aufträge sie ihr tägliches Brot erwarb.
Sie hätte
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