1362 - Die Rivalin
allen Dingen nicht auf so eine Art und Weise, die nach Gewalt und Blut roch.
Wenn sie Camilla anschaute, wies nichts darauf hin, wo sie wohl herkam. Man konnte sie schlecht einordnen. Sie wirkte irgendwie zeitlos und hätte in die Vergangenheit ebenso gepasst wie in die Gegenwart.
Camilla schloss die Tür. Jane merkte, dass sie scharf angeschaut wurde. Mit einer schnellen Bewegung der Zunge leckte die Vampirin über ihre Lippen hinweg. Ihr scharfer Blick war auf Jane gerichtet, die sich vorkam, als würde sie taxiert. Sie wusste, wie sprunghaft die Blutsauger sein konnten. Zum einen wogen sie einen Menschen oder ihr Opfer in Sicherheit, und zum anderen griffen sie urplötzlich an, um ihm das Blut auszusaugen.
Es ärgerte sie zudem, dass sie noch immer unter den Nachwirkungen des Schlags litt. Sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen, war sie nicht mal in der Lage dazu, sich richtig zu wehren.
»Wir warten auf sie.«
Jane hob nur die Schultern an.
»Du wohnst auch hier oben, nicht?«
»Ja.«
»Sehr schön. Dann nehmen wir dein Zimmer. Geh schon vor!«
Jane drehte sich um. Dabei merkte sie, dass der Schwindel erneut in ihr hoch drang. Für einen Moment kam sie sich vor, als würde sie wegschweben, und ihre Zimmertür sah sie doppelt und längst nicht mehr so scharf konturiert.
Sie öffnete die Tür und hörte den leisen Befehl. »Nur wenig Licht.«
»Ist schon okay.«
Als Jane zuerst das Zimmer betrat und dabei durch das Fenster schaute, da sah sie noch die helle Schärpe am Himmel, die das entschwindende Tageslicht hinterlassen hatte. Bald würde es auch verschwunden sein. Dann hatte die Nacht wieder einmal gewonnen.
Das Zimmer der Detektivin bildete einen krassen Gegensatz zum Raum der blonden Bestie. Es war hell, freundlich und dementsprechend wohlig eingerichtet. Bilder die von ebenfalls hellen Rahmen umgeben waren, schmückten die Wände. Auch die kleine Sitzgruppe wirkte gemütlich. Dafür sorgte der Stoff, dessen sanftes Blau mit einem feinen Gelb harmonierte. Der Raum war nicht besonders groß und wirkte trotzdem nicht überladen, obwohl ein Bücherregal, eine Glotze mit flachem Bildschirm und eine HiFi-Anlage ihren Platz gefunden hatten.
Dass sich die Person hinter ihrem Rücken befand, interessierte Jane nicht. Ihre Gedanken wanderten in eine andere Richtung, denn sie dachte daran, dass sich in diesem Raum auch ihre Beretta befand. Wenn es ihr gelang, an die mit geweihten Silberkugeln geladene Waffe heranzukommen, war schon viel gewonnen.
Auf der anderen Seite musste sie davon ausgehen, dass Camilla sie nicht aus den Augen lassen würde. Jede ihrer Bewegungen wurde kontrolliert. So würde es für sie verdammt schwer sein, an die Beretta zu gelangen.
»Setz dich hin.«
Jane war froh darüber. Sie ließ sich in den Sessel fallen, und wieder zuckte es durch ihren Kopf. Für die Dauer einiger Sekunden machte der Schmerz sie unkonzentriert, und sie biss hart die Zähne zusammen, um danach wieder Luft zu holen.
Camilla war zufrieden. Vor der offenen Tür blieb sie stehen. Jane hatte eine kleine Lampe eingeschaltet, deren Licht ausreichte, um einen warmen Schein zu verbreiten. Er störte auch die Blutsaugerin nicht, denn sie konzentrierte sich auf Jane.
Die Detektivin fühlte sich wieder einigermaßen normal. Das Sitzen tat ihr gut, und sie wich dem Blick ihrer unheimlichen Besucherin auch nicht aus.
Wie war diese Camilla einzuschätzen?
Eine einfache Antwort darauf gab es nicht. Die Kleidung machte sie irgendwie neutral. Sie war auf ihre Art und Weise zeitlos. Was Jane vom Gesicht dieser Unperson sah, brachte sie auch nicht weiter.
Da gab es keine Haut, die frisch aussah, allerdings auch nicht alt.
Das Aussehen lag irgendwo dazwischen. Jane kam der Verdacht, dass Camilla sich das Gesicht mit einer Creme bestrichen hatte, damit das wahre Aussehen dahinter verborgen blieb. Wahrscheinlich hatte sie versucht, alterslos zu wirken, nur war ihr das nicht ganz gelungen, auch wenn es aus einer gewissen Distanz so wirkte.
Jane gefiel das Verhalten nicht. Zwar tat Camilla nichts und kam ihr auch nicht zu nahe, aber hier traf das Sprichwort zu, dass der Blick mehr als Worte aussagte.
Die Blutsaugerin ließ Jane nicht aus den Augen. Sie taxierte sie, und als ein knappes Lächeln über ihren Mund huschte, machte es Jane auch nicht fröhlicher.
Die nächsten Worte bestätigten ihr ungutes Gefühl. Bevor Camilla sprach, nickte sie. »Eines muss man Justine lassen. Sie hat einen guten Geschmack
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