GB84: Roman (German Edition)
MARTIN
Die Toten brüten unter Britannien. Wir flüstern. Wir hallen. Emanation des Großen Albion
– Wach auf, wiederholt Cath. Wach auf, Martin. Ich drehe mich um und schaue sie an. Die machen Cortonwood zu, sagt sie. Jetzt bist du draußen. Ich setze mich auf und greife nach meinen Zigaretten. Sie schiebt die Schachtel außer Reichweite. Gib mir die Kippen, sage ich. Sie wirft sie aufs Bett. Teure Angewohnheit, sagt sie. Verdammte Manvers-Zeche. Ich fahre nicht, Geoff Brine holt mich ab. Ich wäre nicht hier, wenn er nicht angerufen hätte –
Klick-klick
– Hat gefragt, ob ich eine Mitfahrgelegenheit nach Thurcroft bräuchte. Nicht, wenn’s nach Cath ginge. Aber sie ist nach Sheffield gefahren, eine Freundin besuchen. Unterwegs halten wir auf ein Pint beim Rising Deer. Ins Hotel wollen wir noch nicht. Später gibt’s noch genug zu quatschen. Als wir parken und den Miners’ Welfare Club betreten, hat die Diskussion schon angefangen – Wir haben sechzig Jahre dafür gekämpft, dass es uns gut geht, und jetzt wollen sie alles ändern, damit es der Kohle besser geht – Der Laden ist gesteckt voll. Abstimmung, Handzeichen. 75 Prozent dagegen. Sollen sie das mal selbst aushandeln, meint Geoff. Ist aber alles Blödsinn. Wissen wir doch. Nur eine Frage der Zeit. Auf dem Heimweg verlieren wir kein Wort über die Manvers-Zeche. Reden nur über den bescheuerten Sheffield Wednesday FC. Als wir oben zu meiner Straße kommen, hält Geoff an. Ich steige aus. Es nieselt. Ich drehe mich um und sage Tschüs. Er starrt mich an. Ich schüttle den Kopf. Er nickt – Achtzehn Wochen ohne Überstunden. Kämpfe jeden Tag. Überall geben sie auf – Nur eine Frage der Zeit. Beschissenes Cortonwood. Montagmorgen . Ich bin auf Tagschicht. Es ist still, wenn wir reingehen, aber wenn wir Wachwechsel haben, warten da immer schon vierzig Kerle von der Silverwood-Zeche auf uns. Jetzt geht’s um mehr als um Manvers und die ach-so-tollen Zeiten. Man hat sich in Barnsley zum Bezirkstreffen versammelt. Sie halten Autos an. Ich hab das Fenster runtergekurbelt. Du brauchst morgen nicht kommen, sagen sie. Mach ich nicht. Keine Sorge – Schalt die Glotze an, wenn du zu Hause bist, rufen sie. Keine Sorge, mach ich. Pete Cox von unserem Ortsverband kommt zum Wagen, als er mich erkennt. Ein paar von uns gehen morgen nach Manton rüber, sagt er. Wenn du Lust hast? Ich bin da, sag ich zu ihm. Alles klar, sagt er und hämmert zwei Mal aufs Autodach. Ich kurble das Fenster hoch, mache das Radio an und fahre nach Hause. Cath wartet schon, die Haustür steht offen – Glotze und Radio laufen: Jack Taylor berichtet vor dem Bezirksbüro in der Huddersfield Road, wie Yorkshire 1981 gewählt hat – Um die da oben daran zu hindern, unsere Industrie und unsere Arbeitsstellen zu vernichten. Unsere Gruben und unsere Gemeinden – Generalstreik ab Freitag wegen der Schließung von Cortonwood und Bullcliffe Wood. Cortonwood hat die beste Kohle in South Yorkshire. Für mindestens noch fünf Jahre, sagt Jack. Aber nichts geht mehr. War’s das, fragt Cath. Ich nicke. Tag 1 . Jetzt landesweit. Scheiß MacGregor. Zwanzig Zechen und zwanzigtausend Jobs in den kommenden zwölf Monaten. Arthur hatte die ganze Zeit über recht. Aber mit Cath ist nicht darüber zu reden. Ich fahre nach Thurcroft. Der Minivan ist schon nach Manton rüber, also fahre ich mit ein paar Kumpeln, die auch nur rumhängen wie ich. Als wir ankommen, ist es schon gepackt voll. Es gibt Gerüchte, wir sollen runter nach Creswell, weil da nichts geht. Pete und ein paar Ältere meinen, wir sollten bis zum Abend warten. Mal sehen, was dann los ist. Sie wollen so ’ne Art Streik-Hauptquartier in Silverwood aufmachen. Dort sagt man uns dann, wo wir gebraucht werden und wo nicht. Eine ganze Reihe Kumpel ist schon seit dem frühen Morgen hier, also trinken wir ein Pint und fahren nach Thurcroft zurück. Ich laufe Geoff über den Weg. Wir teilen uns in seinem Wagen ’ne Tüte Fritten und warten, dass das Hotel aufmacht. Wir trinken eins und gehen dann zum Welfare Club rüber. Heute Abend sind so viele da, die müssen sogar draußen auf dem Parkplatz stehen – Antrag, den Streik zu unterstützen. Antrag wird angenommen. Einstimmig. Die Jungs gehen ins Hotel oder in den Club. Jede Menge Gerede über die Streiks ’72 und ’74. Ich geh im Club pissen, da meint ein Kerl zu mir, es geht also alles klar? Was meinst du mit ›alles klar‹, frage ich. Gewinnen wir, fragt er. Ja, sage ich zu ihm. Was machst
Weitere Kostenlose Bücher