1362 - Die Rivalin
auseinander gelebt hat. Wir sind unsere eigenen Wege gegangen.«
»Was Camilla nicht passte.«
»So ist es. Sie hat wohl nicht damit gerechnet, dass ich dazu befähigt war, mein Dasein so zu entwickeln. Dass ich einen anderen Weg gegangen bin als sie. Dass ich besser wurde und auch mehr Macht bekam. Dass ich einen anderen Partner fand…«
»Mallmann?«
»So ist es. Da spielte sie nicht mit, und aus diesem Grunde hasst sie mich auch.«
»Bis zum Tod.«
»Sicher.« Justine lächelte. »Sie will mich vernichten. Sie kann nicht länger akzeptieren, dass ich besser bin als sie. Da hat sie schon ihre großen Probleme.«
Bisher hatte Jane Collins geschwiegen und fast statuenhaft starr auf ihrem Platz gesessen. »War das alles, Justine? Ist das wirklich alles in deinem Leben gewesen?«
»Ja. Ich habe zuvor ein anderes geführt. Dann aber erschien Camilla, und schon geriet ich in den Bann.«
Jane war anzusehen, dass sie antworten wollte. Allerdings musste sie ihre Gedanken noch sortieren. Als sie das geschafft hatte, schüttelte sie den Kopf.
»Irgendetwas stimmt nicht in deinen Erzählungen.«
»Ha, Ha, wieso nicht?«
»Es ist was faul, Justine. Okay, die Geschichte, wie du zu einer Blutsaugerin worden bist, die glaube ich dir. Aber nicht nur ich weiß, dass du anders bist als die üblichen Blutsauger. Du stichst aus ihnen hervor. Du bist jemand, der sich zwar von dem Blut der Menschen ernährt, aber du reagierst trotzdem anders als ein Vampir, wie man ihn normalerweise kennt. Ich würde sogar den Begriff atypisch verwenden. Und wenn John darüber nachdenkt, wird er mir Recht geben.«
»Findest du?«
»Ja.«
Justine drehte sich mir zu. »Und du auch, John?«
»Ich muss ihr zustimmen. Für eine Blutsaugerin verhältst du dich verdammt ungewöhnlich. Das passt wirklich nicht in das Schema hinein. Tut mir Leid.«
Justine lehnte sich locker zurück. Sie machte auf uns den Eindruck einer Person, die mehr wusste und dieses Wissen bisher für sich behalten hatte. Davon zeugte auch ihr Lächeln, das ihre Lippen in die Breite zog.
»Auch bei uns gibt es eben Unterschiede. Das muss ich zugeben.«
»Und wie ist es dazu gekommen?«, wollte ich wissen.
Sie schaute mich aus ihren hellen Augen starr an. Dabei schüttelte sie ansatzweise den Kopf. »Nein, John, auch wenn wir fast Partner sind, alles werde ich dir nicht sagen. Ein kleines Geheimnis möchte ich noch für mich behalten.«
Das konnte ich mir denken. Aber ich gab trotzdem nicht auf.
»Hing es mit Mallmann zusammen?«
Sie hob die Schultern.
»Hat Dracula II dich so verändert, damit du, ebenso wie er, ein fast normales Leben führen kannst, ohne in der Welt der Menschen groß aufzufallen?«
»Es ist alles möglich. Aber das will ich eurer Fantasie überlassen, wenn ihr versteht.«
In diesem Fall verstanden wir sie nicht. Und ich ärgerte mich auch, weil sie mir nichts sagte. Allerdings kannte ich sie gut genug, um zu wissen, dass sie nur das bekannt geben würde, wohinter sie auch stand. Und so würde zunächst mal ein Rest des Geheimnisses bestehen bleiben. Damit konnten wir leben, nicht aber mit der Vampirin Camilla, die es darauf abgesehen hatte, Justine zu vernichten. So war aus Zuneigung bei ihr tödlicher Hass geworden.
Jane nahm das Thema wieder auf. »Wie oft hast du denn in der letzten Zeit Kontakt mit Camilla gehabt?«
»Kaum.«
»Oder gar nicht?«
Unwillig schüttelte Justine den Kopf. »Frag nicht, John. Ich hatte sie vergessen. Unsere Wege trennten sich. Ich sah keine Chance mehr in ihrer Nähe, um etwas verändern zu können. Ich wollte auch nicht im gleichen Rhythmus bleiben. Es musste einfach etwas unternommen werden. Ich wollte weiterkommen, versteht ihr, und ich bin weitergekommen. Ganz im Gegensatz zu ihr.«
»Was heißt das?«, fragte ich.
»Dass sie keine Aufgabe hat. Dass sie kein Ziel vor sich sieht. Sie streunt herum, während ich andere Dinge erlebe und schon erlebt habe. Meine Existenz ist spannender. Ihre nicht. Und genau das muss sie erfahren haben.«
»Ja, was sie nun ändern will.«
»Eben. Sie will mich vernichten. Sie hasst mich. Und möglicherweise will sie meine Stelle einnehmen. Ich muss zugeben, dass sie sich gut vorbereitet hat. Es ist alles in Ordnung für sie. Camilla hat mich gefunden, aber sie musste zuvor ein Hindernis aus dem Weg räumen, nämlich dich, Jane.«
»Ja«, flüsterte die Detektivin, »und das hat sie nicht geschafft.«
Justine Cavallo nickte. »Genau, sie hat es nicht geschafft. Es wird
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