1388 - Kurier nach Tarkan
einen kurzen Blick zurück, und Bull meinte, ihn grinsen zu sehen.
Sie betrachtete das Tablett mit Widerwillen. Lachs war eine ihrer Lieblingsspeisen, besonders wenn er kryogen konserviert war, so daß er sich von frischem Fisch nicht unterschied. Den Duft des mit exotischen Gewürzen zubereiteten Bok Choy hätte sie unter anderen Umständen als verführerisch empfunden, und der rosafarbene Leichtwein in der funkelnden Karaffe schien sie anzulächeln. Ganz abgesehen davon, daß der kleine Küchenautomat auf Zuruf einen Becher mit köstlichem Gefrorenen produzieren würde - der Programmierung entsprechend, die sie heute nachmittag vorgenommen hatte, als sie der Ansicht gewesen war, zur Zeit des Abendessens würde sie wieder Appetit haben.
Sie hatte sich getäuscht. Der Magen war ihr wie verknotet. Sie wollte das Tablett zur Seite schieben, aber damit war das Servosystem nicht einverstanden. „Du solltest dir es noch einmal überlegen", sprach eine fürsorgliche Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien. „Du hast heute noch fast nichts zu dir genommen. Wenn du so weitermachst, werden sie dich eines Tages auf die Medostation bringen müssen."
„Und wenn du so weitermachst", begehrte sie auf, „dann schalte ich dich ab!"
„Das kannst du natürlich tun", sagte der Servo. „Aber damit bringst du dir keinen Nutzen. Iß wenigstens ein paar Bissen."
Sie zögerte. Ohne jegliche Begeisterung trennte sie einen Happen Lachs von dem mit weißer Soße zubereiteten Kotelett und führte es zum Mund. Sie war überrascht, wie gut es schmeckte. Der Bok Choy war ebenfalls von erster Qualität. Man merkte, daß die Gewürzzusammenstellung aus Ne Wiens Rezepteküche stammte. Sie nahm einen Schluck Wein und spürte, wie der Hunger plötzlich erwachte. Er war ihr in Wirklichkeit gar nicht abhanden gekommen; er hatte sich nur schlafen gelegt, weil die trüben Gedanken, mit denen sie sich beschäftigte, ihm keine Möglichkeit zur Entfaltung ließen. „Siehst du, so ist es doch viel besser - oder nicht?" lobte der Servo, nachdem sie das Tablett geleert hatte. „Und jetzt noch das Eis."
„Ja, und jetzt noch das Eis", sagte sie.
Der Küchenautomat hatte sie gehört und produzierte das Gewünschte. Die Mischung aus Pfirsichsorbet und flüssiger Banane ging den Weg des Lachses und des Bok Choys. Beendet wurde die Mahlzeit mit einem Schluck Leichtwein.
Eirenes Blick suchte den Kalender. Der 30. Dezember 447 war angezeigt. Das Jahr ging zu Ende. Es war einen Monat alt gewesen, als Perry Rhodan spurlos verschwand, vermutlich von DORIFER in ein fremdes Universum gespien. Zwei Monate später hatte die Mutter Abschied genommen - auf eine Art und Weise, die die Siebzehnjährige bis auf den heutigen Tag nicht verstand. Es hieß, Gesil sei dem Ruf der Kosmokraten gefolgt. Aber warum hatte sie nicht mehr hinterlassen können? War es ihr in den acht Monaten wirklich ganz und gar unmöglich gewesen, denen, die sich um sie sorgten, wenigstens eine kurze Nachricht zukommen zu lassen?
Manchmal kam es Eirene so vor, als sei sie gegen ihren Willen in ein finsteres Komplott verstrickt. Die Kräfte des Schicksals hatten sich gegen sie verschworen. Sie sollte gedemütigt oder auf die Probe gestellt werden. Ob es mit ihrem Erbe zu tun haben mochte, fragte sie sich in den Stunden, wenn die Niedergeschlagenheit sich ihrer bemächtigte. Ihre Mutter war die Inkarnation einer Kosmokratin. Eirene war sich nicht klar, was man sich darunter vorzustellen hatte. Aber es gab offenbar unsichtbare Stränge, die Gesil mit der Region jenseits der Materiequellen verbanden. Sonst wäre es für sie nicht wichtig gewesen, dem Ruf der Kosmokraten zu folgen.
Ihr Vater, Perry Rhodan, hatte den Kosmokraten den Dienst aufgekündigt. Er wolle kein Ritter der Tiefe mehr sein, hatte er ihnen zu verstehen gegeben. Intelligenzen vom Standardkaliber - wie die Menschen, die Arkoniden, Akonen, Tefroder und die zahllosen Völker der Mächtigkeitsballung Estartu - hatten den Weg ihrer Entwicklung aus eigener Kraft zu gehen, ohne Hilfe, aber auch ohne Behinderung durch übergeordnete Mächte. Das war sein Glaubensbekenntnis gewesen, als er damals vom Berg der Schöpfung zurückkehrte, und nach dieser Überzeugung hatte er seitdem gelebt. Die Kosmokraten hatten ihn gestraft. Sie hatten ihn mit einem Bann belegt, der es ihm verbot, in die Heimat zurückzukehren. Der Bann war inzwischen von ihm genommen worden. Das wußte Eirene von Atlan, aber sie verstand die Umstände nicht, die
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