KARIBISCHES LIEBESABENTEUER
1. KAPITEL
Das Kreischen des Riegels, der von der Eingangstür des Zellenblocks zurückgeschoben wurde, zerriss die nachmittägliche Stille.
Lilah hob abrupt den Kopf. Eine Sekunde blieb sie regungslos, dann rappelte sie sich auf, rutschte an das entfernteste Ende der Matratze, die ihr als Bett diente, und presste sich an die raue Zementwand. Sie wappnete sich für alles, was kommen mochte, als die Tür am anderen Ende des Gangs aufgerissen wurde.
Im schwachen Lichtstreifen der Lampe erschienen gleich darauf zwei schwankende Gestalten, die Gefängniswärter. Ein Mann hing wie leblos zwischen ihnen. Sein Kopf rollte schlaff von einer Seite zur anderen, und seine Füße schleiften im Staub. Als die Wärter ihn vorwärtszerrten, bemerkte Lilah die sonnengebräunten muskulösen Arme des Mannes, sein altes olivfarbenes T-Shirt, das tiefschwarze Haar, das selbst bei dieser Beleuchtung glänzte, und das getrocknete Blut im Mundwinkel seines entschlossen wirkenden Mundes.
Mit einem gereizten Grunzen hievten die Wärter ihre Last etwas höher. Der Kopf des Gefangenen fiel auf die Seite, und Lilah sah ein Gesicht, das ihr seltsam vertraut vorkam.
Ihr Herz machte einen Sprung. Nein, das konnte unmöglich sein! Was würde die große Liebe ihrer wilden Jugend,der Mann, an dem sie alle anderen Männer gemessen hatte und der sie immer noch ab und zu bis in ihre Träume verfolgte, ausgerechnet hier in der abgelegensten Ecke der Kabribik tun, im entfernten San Timoteo und in einem der privaten Gefängnisse von El Presidente?
Ihre Sinne mussten ihr einen Streich spielen. Das war die einzig mögliche Erklärung. Lilah hatte versucht, mutig und stark zu sein, aber jetzt hatte sie keine Kraft mehr. Und jetzt fing sie auch noch an zu halluzinieren.
Die Wärter warfen den Neuankömmling auf den Zementboden der Nachbarzelle, die von Lilahs Zelle durch Gitter getrennt war, und einer von ihnen blieb noch, um dem Gefangenen einen harten Tritt in die Rippen zu verpassen. Erst dann schlug er die Zellentür und kurz darauf die Tür am Ende des Gangs hinter sich zu.
Es drängt Lilah, sich zu bewegen, aber die bitteren Lektionen des vergangenen Monats hatten ihren Selbsterhaltungstrieb verstärkt, und so achtete sie nicht auf das Pochen ihres Herzens und zwang sich zu bleiben, wo sie war, bis die Schritte ihrer Wärter verklungen waren. Doch dann, nicht mehr fähig, noch eine Sekunde länger stillzuhalten, sprang sie auf und trat ans Gitter.
Den Blick unverwandt auf das Gesicht des Mannes gerichtet, ging sie in die Knie. Der Puls hämmerte ihr wild in den Ohren, während sie die dunklen Augenbrauen, das energische Kinn und die hohen Wangenknochen betrachtete.
Jetzt konnte es keinen Zweifel mehr geben. In den Jahren, die vergangen waren, waren seine Schultern zwar breiter geworden und sein Körper insgesamt muskulöser, aber er war es – Dominic Devlin Steele.
Fassungslos starrte sie ihn an. Was in aller Welt mochte er hier tun? War es reiner Zufall, eine unglaubliche Wendung des Schicksals?
Das kam ihr unmöglich vor, doch die einzige andere Erklärungwäre, dass er freiwillig hier war, und die einzige Person, die das hätte bewerkstelligen können, war ihre Großmutter. Sosehr Lilah es auch versuchte, sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sich Abigail Anson Clarke Cantrell Trayburne Sommers’ Pfade mit denen von Dominic Steele kreuzen könnten. Und noch viel weniger konnte sie sich vorstellen, warum er sich ihretwegen in Gefahr bringen wollte.
Dann wurde ihr bewusst, dass nichts davon irgendeine Bedeutung hatte. Nach einem ganzen Monat voller Angst, Einsamkeit und zunehmender Verzweiflung war es einfach nur wundervoll für sie, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Selbst dieses. Oder vielmehr, vor allem dieses.
Sie griff durch die Gitterstäbe und berührte mit zitternder Hand sacht seine Wange. „Dominic? Ich bin’s, Lilah Cantrell.“
Seine Haut fühlte sich beruhigend warm an. Lilah stellte fest, dass er immer noch dieselbe elektrisierende Wirkung auf sie hatte wie früher, obwohl ein ganzes Jahrzehnt vergangen war, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Aber vor allem wurde ihr bewusst, dass er bewegungslos dalag. „Ich kann es nicht glauben, dass du es wirklich bist. Dass du ausgerechnet hier aufgetaucht bist. Aber du musst jetzt aufwachen. Wach auf und rede mit mir, Dominic. Oder rühr dich wenigstens ein kleines bisschen. Bitte!“
Er bewegte sich nicht. Lilah biss sich auf die Unterlippe und
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