1395 - Das Vermächtnis des Vaters
immer so ungewöhnlich oft umgeschaut hast. Hat das einen Grund?«
»Nein.«
»Lüg nicht.«
Ich verdrehte die Augen. Man konnte Jane so leicht nichts vormachen. »Ich erzählte es dir gleich.«
»Okay.«
Wir hatten die Tür kaum geöffnet, da schlug uns eine bullige Wärme entgegen. Es roch nach Kaffee und nach frisch Gebackenem.
Runde Tische verteilten sich im Raum. Sie waren umgeben von Hockern, auf denen die Gäste saßen. Viele waren es nicht. Zumeist ältere Frauen, die ihr Getränk zu sich nehmen wollten.
Wir fanden einen freien Tisch in der Nähe der Theke mit der großen blitzenden Kaffeemaschine, und bei der Bedienung, einer jungen Frau mit fahlblonden Haaren und sehr dünnen Lippen, bestellten wir Kaffee und zwei Flaschen Wasser.
»Gut, danke.« Die Frau schaute mich intensiv an. Wahrscheinlich hatte sie mich schon mal hier in Lauder gesehen, wusste aber nicht, wo sie mich hinstecken sollte.
Jane stützte ihre Ellbogen auf die Tischplatte und schaute grübelnd vor sich hin.
Bevor ich eine Frage stellen konnte, ergriff sie das Wort. »Es kommt langsam, John, keine Sorge.«
»Toll.«
Sie verzog den Mund. »So toll ist es nicht. Ich hätte darauf auch verzichten können.«
»Das glaube ich dir.«
Unsere Getränke wurden gebracht. Die junge Frau wünschte uns irgendetwas und zog sich zurück.
Ich schenkte Jane Wasser ins Glas, während sie noch grübelte. Ihr Gesicht hellte sich immer mehr auf, dann griff sie zum Glas und fing an zu trinken. Ich konnte sehen, wie gut es ihr tat, und als sie das fast leere Glas wieder abstellte, sah ich, dass sie auch lächeln konnte.
»Und jetzt?«
Sie hob den Kopf an und drehte ihn etwas zur Seite, damit sie mich anschauen konnte.
»Der Nebel ist fast weg«, erklärte sie, »und langsam tauchen die Erinnerungen wieder auf.«
»Super.«
»Warte erst mal ab.« Sie dachte nach und kaute dabei auf ihrer Unterlippe. »Also«, sagte sie nach einer Weile und einen tiefen Atemzug später, »ich habe in unserem Leihwagen auf dich gewartet, wie es abgesprochen war. Es ging auch alles gut. Ich wollte sogar die Augen schließen und ein kleines Schläfchen machen, doch dazu ist es nicht gekommen. Ich weiß nicht, woher die Gestalt kam, aber sie war plötzlich da, und ich sah sie neben der Wagentür. Wahrscheinlich bin ich mit meinen Gedanken woanders gewesen, sonst hätte ich schneller reagiert, aber ich kam nicht mehr dazu. Ich hatte auch die Tür nicht verriegelt. Jemand riss sie auf, ich sah so gut wie nichts und spürte nur einen Einstich an der linken Halsseite. Ganz kurz nur, als wäre ich von einer Mücke gestochen worden.«
Sie drehte den Kopf so, dass ich den kleinen roten Punkt sehen konnte.
»Und was passierte dann?«
»Das weiß ich nicht.«
»Bitte?«
Jane nickte, bevor sie einen Schluck Kaffee trank. »Ja, das musst du mir glauben. Ich weiß es wirklich nicht. Um mich herum wurde es finster. Von einem Augenblick zum anderen. Ich weiß nicht, welches Zeug man mir gespritzt hat, aber ich war weg.«
»Hm…«
»Das hätte ich an deiner Stelle auch gesagt.«
Lächelnd nippte ich an meinem Kaffee, um dann einen Schluck Wasser zu trinken. Mein Blick glitt durch das Lokal, und ich sah, dass einige Gäste zu uns hinschielten. Wahrscheinlich war ich erkannt worden.
»Hast du die Gestalt erkennen können?«, fragte ich Jane.
»Nein, John, ich schwöre es. Ich weiß nur, dass es ein Mann war, der mich ausgeschaltet hat. Aber frag mich bitte nicht danach, wie er aussah und welche Kleidung er trug. Ich kann mich an nichts erinnern. Außerdem ging alles rasend schnell.«
»Tja, das ist schon seltsam.«
»Genau, John, und du siehst mich ebenso ratlos wie dich selbst.«
Ich blieb weiter beim Thema und fragte: »Ist dir denn wirklich nichts aufgefallen?«
»Nein.«
»Dann bin auch ich überfragt.«
»Wunderbar. Wir können uns die Hand reichen.«
Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Wobei ich davon ausgehe, dass es einen Grund für diesen Überfall gegeben hat.«
»Ein Dieb war es jedenfalls nicht. Es gibt ja genügend Typen, die sich auf oder in der Nähe von Friedhöfen herumtreiben und die auf einsame Grabbesucher warten.«
»Davon gehe ich auch aus.«
Jane fasste nach meinem Arm. »Aber was wollte er von mir, John? Ich kann es mir beim besten Willen nicht denken. Er hat kein Wort gesprochen. Er riss die Tür auf und stach zu.«
»Ja, ja, das weiß ich jetzt. Nur hat er dies nicht grundlos getan.«
»Das sicherlich nicht.
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