1403 - Schrei aus dem Dunkel
vielleicht besser gewesen wäre, wenn er erst mal mit dem Wagen durch den Tunnel gefahren wäre. Aber er wollte nicht mehr zurück und den Sigma holen. Zumindest jetzt noch nicht. Wichtig war für ihn, dass er in den Tunnel hineinkam.
Er hatte eine Taschenlampe mitgenommen, denn an der Bergflanke war es recht dunkel. Da half auch der helle Schnee kaum. Er schaltete sie ein und ließ den kalten Schein über den Schnee wandern. Er pappte am Felsgestein des Bergs.
Wieder stampfte er durch den Schnee. Es war ihm egal, ob seine Füße und ein Teil der Beine nass wurden. Man musste eben Opfer bringen, wenn man etwas erreichen wollte, und er hoffte, dass er Erfolg haben würde.
Wo befanden sich die Seiteneingänge? Es musste sie geben. Fluchtwege gehörten dazu. Er wollte die Felswand ableuchten, denn dort musste er fündig werden.
Etwas störte ihn.
Harry schnupperte. Es lag nicht an der Umgebung, sondern an einem bestimmten Geruch. Der hatte mit den Autos nichts zu tun, die über die Autobahn jagten. Er brauchte nicht lange nachzuforschen, um zu wissen, mit welch einem Geruch er es zu tun hatte.
Pfeifenrauch!
In seiner Nähe musste sich tatsächlich jemand aufhalten, der eine Pfeife rauchte.
Zuerst wollte er lachen, musste aber dann einsehen, dass es dazu eigentlich keinen Grund gab. Wichtiger war, über den Geruch nachzudenken und den Menschen zu finden, der hier an diesem Abend unterwegs war und eine Pfeife rauchte.
Harry Stahl ging davon aus, dass er gesehen worden war. Aber er fragte sich auch, warum sich die andere Person nicht meldete, denn sie musste ihn längst entdeckt haben.
Deshalb ging er weiter, schaltete allerdings die Lampe aus und schaute in die Dunkelheit, ohne jedoch eine Gestalt zu entdecken.
Aber das änderte sich, denn er wurde angesprochen.
»Es geht doch nichts über einen kleinen Spaziergang in der Winternacht – oder?«
Harry blieb stehen. Die Stimme hatte er noch nie gehört. Einige Sekunden später vernahm er das Knirschen des Schnees und richtete sein Augenmerk nach rechts.
Die Lampe brauchte er nicht, um die Gestalt zu erkennen. Sie zeichnete sich vor dem hellen Schneeuntergrund ab und kam mit stampfenden Schritten auf Harry zu.
»So trifft man sich wieder, mein Herr…«
***
Stahl war überrascht, diesen Satz zu hören. Er musste sich erst auf den Besucher einstellen, aber durch seinen Kopf rasten die Gedanken, denn er fragte sich, wer der Mann war. Ein aggressives Auftreten hatte er nicht gezeigt, also schöpfte Harry Hoffnung, dass es nicht zu einer Auseinandersetzung zwischen ihnen kommen würde.
Der Mann blieb vor Harry stehen. Da er einige Rauchwolken ausstieß, war von seinem Gesicht wenig zu sehen. Eingepackt war er in eine Winterjacke, und auf dem Kopf trug er eine Wollmütze.
Harry räusperte sich, um wieder klar bei Stimme zu sein. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
Die Antwort gab nicht viel Klarheit. »Wir kennen uns.«
»Ach. Woher denn?«
»Aus der Gaststätte.«
Jetzt musste Harry lachen. »Pardon, aber da habe ich Sie nicht gesehen, denke ich. Ich habe auch nicht mit Ihnen gesprochen.«
»Das stimmt schon. Ich saß am Tisch und las eine Zeitung. Aber ich habe Sie eintreten sehen, und Sie haben ein Zimmer gemietet.«
Harry erinnerte sich. Es traf zu, dass er einen Mann an einem Tisch hatte sitzen sehen, der in einer Zeitschrift oder Zeitung gelesen hatte, aber er hatte ihn nicht weiter beachtet, was möglicherweise ein Fehler gewesen war.
»Alles klar?«
»Ja, schon«, erwiderte Harry gedehnt. »Ich wundere mich nur, Sie hier zu treffen.«
»Kann ich mir denken. Jetzt müssen Sie mich noch fragen, was ich hier zu suchen habe.«
»Das wollte ich gerade.«
»Vielleicht das Gleiche wie Sie, Herr Stahl. Ja, ich kenne Ihren Namen. Helene Schwarz hat mir das Anmeldeformular gezeigt.«
»Schön, und wie heißen Sie?«
»Nennen Sie mich Eberle. Aber ich will Ihnen auch meinen Vornamen nennen. Karl Eberle.«
»Verstanden. Und was suchen Sie hier in der Nacht an der Tunnelwand, Herr Eberle?«
»Vielleicht nichts anderes als Sie. Die Lösung bestimmter Vorfälle, bei denen vier Menschen ihr Leben haben lassen müssen. Das könnte doch hinkommen – oder?«
»Kann sein.«
Mit dem Pfeifenstiel deutete Eberle auf Harry. »Sie sind kein normaler Tourist, der sich in unsere Gegend verirrt hat. Ich habe es von Beginn an nicht geglaubt, und jetzt habe ich den Beweis, denn wer treibt sich schon freiwillig nachts hier an der Außenseite des Tunnels
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