1403 - Schrei aus dem Dunkel
gekommen und tarnen sich als normaler Tourist. Hinter diesen Vorgängen steckt mehr, und ich will das ebenso herausfinden wie Sie, Herr Stahl.«
»Dann haben Sie sich schon Ihre Gedanken gemacht, denke ich mal.«
»So ist es.«
»Und welche?«
Eberle kratzte sich an der Stirn. »Es ist schwer, dies einem Menschen zu erklären.«
»Sie können es trotzdem versuchen. Ich bin auf alles gefasst.«
»Gut, dann sagen ich Ihnen jetzt, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht.«
»Das ist zu wenig.«
»Soll ich konkreter werden?«
Harry nickte. »Ich bitte darum.«
Eberle senkte den Blick. »Es liegt an der Umgebung, an diesem verdammten Berg und am Tunnel. Hier herrscht eine Macht, die wir nicht so leicht fassen können, die es aber gibt. Davon bin ich überzeugt.«
»Das kann sein. Aber hat Sie das bisher weitergebracht? Sie nehmen es an, doch wer kann damit etwas anfangen? Die Leute, die den Fall untersucht haben? Sie haben vier rätselhafte Taten aufzuklären. Menschen sind verschwunden, die zuvor in ihren Autos saßen. Man fand die Wagen, aber nicht die Fahrer.«
»Für einen Fremden kennen Sie sich gut aus.«
Harry hob die Augenbrauen an. »Vielleicht bin ich gar nicht so fremd, Herr Eberle.«
»Dann würde meine Nase stimmen. Ich habe mir schon gedacht, dass Sie geschickt worden sind. Von welcher Behörde?«
Harry winkte ab. »Das spielt keine Rolle. Ich halte mich etwas mehr im Hintergrund.«
»Einer, der…«, Eberle schmunzelte und meint dann: »Einer, der für besondere Aufgeben abgestellt wurde.«
»Ja, das kann sein.«
»Und weiter? Sie müssen doch die Fälle aus anderen Blickwinkeln angehen als Ihre Kollegen.«
»Vielleicht tue ich das. Jetzt denke ich darüber nach, warum Sie mich an diesen Ort geführt haben.«
»Das ist ganz einfach gesagt. Wenn jemand den Fall lösen will, dann muss er sich mit dem Tunnel beschäftigen, und zwar mit seinem Inneren, verstehen Sie?«
»Ich versuche es.«
»Gut, ich will konkreter werden, weil ich das Gefühl habe, Ihnen glauben zu können. Die Dinge haben sich in eine Richtung entwickelt, die sie meisten Menschen vor ein Problem stellt, denn sie müssen den Weg des normalen Denkens verlassen.«
Harry lächelte und meinte: »Hört sich spannend an.«
»Das ist auch spannend, denn Sie wollen ja hinter die Dinge schauen und nicht nur das glauben, was Sie mit den eigenen Augen sehen.« Eberle hob beide Hände und bewegte sie kreisförmig. »Wir finden uns hier in einem Tunnel. Man hat die Röhren durch den Berg getrieben, und man hat der Natur gleichzeitig eine Wunde zugefügt. Nun, diese Natur lässt sich nicht alles gefallen. Sie schlägt zurück. So und nicht anders müssen Sie die Dinge sehen.«
»Sehr schön gesagt.«
»Trotzdem ist mir das zu allgemein, Herr Eberle. Damit kann man nicht arbeiten.«
»Es ist die Basis.«
»Wofür?«
Die Augen des Mannes verengten sich. Die nächsten Worte flüsterte er. »Der Berg lebt, Herr Stahl. Es ist nicht so tot, wie er aussieht. In ihm steckt etwas, das durchaus den Begriff Leben verdient, aber es ist ein anderes, als wir es kennen. Das Leben hinter der Realität. Das Leben, von dem auch unsere Vorfahren wussten und die sich darauf eingestellt haben. Wenn Sie mal die Geschichte durchforschen und sie mit bestimmten Sagen verbinden, dann werden Sie feststellen, dass dieser Berg in der Vergangenheit schon immer eine Bedeutung hatte. Die Menschen haben davon gesprochen, dass sich hier der Teufel und die Geister wohl gefühlt haben. Er war ein besonderes Gebilde, und es gibt heute noch Menschen, die ihn als Teufelsberg bezeichnen, weil in ihm furchtbare Kräfte ihren Sammelplatz hatten. Und dann kommen die verrückten Menschen und schlagen einfach eine Röhre quer hindurch. Das kann ja nicht gut gehen, denn was immer hier existiert hat, schlug zurück. Man hat es nicht ausradieren können. Es war da und wird auch in der Zukunft bleiben, aber es hat damit begonnen, sich zu melden und sich zu rächen.«
Harry Stahl hatte zugehört, ohne den Mann mit einem Wort zu unterbrechen. Jetzt sagte er: »Wenn ich zusammenfasse, dann haben Sie mir soeben erklärt, dass sich der Berg rächen will oder sich schon bitter gerächt hat.«
Karl Eberle wiegte den Kopf. »Nicht unbedingt der Berg, Herr Stahl, sondern das, was in ihm lauert.«
»Geister?«
»Böse Mächte, die aufgeweckt worden sind. Früher hatte die Erhebung für die Menschen eine andere Bedeutung. Heute lacht man darüber, und man lacht auch über mich,
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