1426 - Ein Hauch von Hölle
war er ihm wichtiger, denn er brauchte nichts so dringend wie Antworten.
Er legte sich den Bewusstlosen zurecht. Danach hob er ihn an und lehnte ihn gegen eine halb verbrannte Mauer, sodass er aufrecht sitzen blieb.
Es war auch höchste Zeit, denn der Polizist erwachte bereits. Und es war höchste Zeit für Leo, sich zu maskieren, denn er wollte auf keinen Fall erkannt werden.
Die Strumpfmaske war zwar nicht bequem und mochte ein Relikt aus vergangener Zeit sein, aber sie tat ihre Dienste. Da konnte der andere starren, wie er wollte, er würde nicht erkennen, wer ihn da interviewte. Das war für Leo wichtig.
Duncan stöhnte nur. Er wachte allmählich auf und wunderte sich sogar darüber, dass er denken konnte. Mit ihm war etwas passiert, an dem er keine Schuld trug. Die Welt um ihn herum war plötzlich verschwunden gewesen, und jetzt tauchte sie wieder auf wie aus einem riesigen Grab, dessen Platte noch auf seinem Kopf lag.
Der Druck war schlimm. Er war auch mit Schmerzen verbunden, sodass er ein Aufstöhnen nicht unterdrücken konnte.
»Wieder da?«
Duncan wunderte sich über die Stimme. Er hatte den Sprecher noch nicht gesehen, auch die Stimme war ihm fremd. Als er nach vorn schaute, sah er einen unförmigen Schattenriss.
»Kannst du reden?«
Duncan stöhnte zunächst.
»He, reiß dich zusammen. Ich kenne meine Schläge. Die Folge war nicht mehr als ein kleiner Knockout. Ihr Bullen seid auch nicht mehr das, was ihr früher mal gewesen seid. So einen Hieb musst du doch wegstecken, verdammt.«
Duncan hatte jedes Wort verstanden, und er ärgerte sich darüber.
Hinzu kam seine Schwäche. Er war zudem umgeben von verbrannten Mauern und einer völlig normalen Dunkelheit, die vieles verzerrte. Auch den Schatten vor ihm, der sich allerdings jetzt bewegte.
Er tat etwas, was den Constable erschreckte.
Er schaltete eine Taschenlampe ein. Das Ziel des Lichtstrahls war Duncans Gesicht.
Er schloss die Augen. Nicht mal im Traum hätte er daran gedacht, dass Licht auch schmerzen kann. Hier war es der Fall. Die Helligkeit schmerzte in seinen Augen, obwohl er sie geschlossen hielt.
»Noch mal: Kannst du sprechen?«
»Ja – aber das Licht.«
»Keine Sorge, wir können uns auch im Dunkeln unterhalten.«
»Was wollen Sie denn?«
Der andere lachte. »Das sage ich dir gleich.«
Duncan O’Connor war längst klar, dass dieser Mensch kein normaler Besucher war. Er hatte nicht vor, hier einen Spaziergang zu machen. Er war mit einer bestimmten Absicht hierher gekommen, nämlich um in den Trümmern etwas zu finden.
Ihm fiel der abgestellte Wagen wieder ein und zugleich auch sein Fehler, denn er hatte sich das Nummernschild nicht gemerkt.
Und nun hockte die Schattengestalt vor ihm. Nicht mal das Gesicht war zu sehen. Es hätte ein bleicher Fleck sein müssen, und genau das traf nicht zu. Es war ebenso dunkel wie der Körper, und so ging Duncan davon aus, dass sich der Fremde maskiert hatte. Eine Wollmütze war es nicht, das sah ihm eher nach einem dunklen, eng sitzenden Strumpf aus.
»Was wollen Sie wissen?«, fragte der Constable mit einer müde klingenden Stimme.
»Alles.«
Duncan musste nachdenken. »Wieso alles?«
»Es geht mir um das Haus und um die Menschen, die hier mal gelebt haben. Das war doch dieser Horace F. Sinclair, oder?«
»Richtig. Mit seiner Frau. Aber ich kenne sie nicht. Ich bin noch zu neu hier.«
»Das macht nichts, Junge, aber du kennst die Verhältnisse hier in Lauder und Umgebung.«
»Sicher.«
»Wo wohnen die Sinclairs jetzt?«
Beinahe hätte Duncan gelacht. Im letzten Moment fiel ihm ein, dass das nicht gut für ihn war. Der Typ hätte sich leicht verarscht vorkommen können, und das wollte Duncan nicht riskieren. Deshalb gab er die schlichte und vollständige Wahrheit preis.
»Es gibt sie nicht mehr.«
»Wie?«
»Sie sind tot. Er und auch sie. Ihre Gräber können Sie hier auf dem Friedhof von Lauder finden.«
Der Fremde schien überrascht zu sein, denn er brachte kein Wort mehr hervor. Da auch Duncan nichts mehr sagte, herrschte für eine gewisse Zeitspanne Schweigen zwischen ihnen.
Dann die Frage: »Sind die beiden verbrannt?«
»Ja, auch…«
»Was heißt das?«
»Ich glaube, dass sie verunglückt und dabei verbrannt sind. Aber das passierte nicht hier.«
»Wie lange ist das her?«
»Kann ich nicht genau sagen. Einige Jahre schon. Sie haben ja selbst gesehen, hier kann niemand leben.«
Unter der Maske war ein Lachen zu hören.
»Das glaube ich dir nicht so ganz, Bulle.
Weitere Kostenlose Bücher