1434 - Todeswünsche
Ortschaft war nicht zu sehen. Da mussten sie erst um eine lang gestreckte Kurve fahren, bis die wenigen Lichter vor ihnen blinkten, die aber nichts mit Sternschnuppen zu tun hatten.
Es gefiel Lefty Farr nicht, dass seine Freundin noch immer so heftig atmete.
»Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja, das ist es. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen. Es ist wirklich okay.«
»Dann bin ich zufrieden.«
Das war er zwar nicht ganz, doch das behielt er für sich. Er fasste nach dem Zündschlüssel, der bereits steckte, aber Ritas leiser Ruf ließ ihn innehalten.
»Was ist denn?«
»Schau mal nach vorn, Lefty.«
»Und dann?«
»Tu es, bitte.«
Lefty blickte durch die Frontscheibe in die Dunkelheit, die einen unendlich wirkenden Bogen über den gewaltigen Himmel spannte.
Er wusste nicht, was seine Freundin gesehen hatte, denn er selbst sah nichts Besonderes.
»Tut mir Leid, aber ich…«
»Genauer.« Rita streckte beide Hände aus und dabei drückte sie die Zeigefinger nach vorn. »Schräg über uns. Du musst schon sehr genau hinschauen. Da blitzt es noch manchmal auf, und um diese hellen Punkte herum ist was zu sehen.«
Lefty wollte nicht näher fragen. Er tat seiner Freundin den Gefallen und konzentrierte sich.
Sie hatte sich nicht getäuscht. Bei genauem Hinsehen stimmte es tatsächlich. Dort malte sich etwas ab, als wäre es mit feinen Strichen gegen den Nachthimmel gezeichnet worden.
»Mein Gott, ja, du hast Recht! Da sehe ich auch was.«
»Und?«
»Keine Ahnung, echt nicht.« Lefty hob die Schultern. Verlegen wischte er dabei über sein Gesicht.
»Aber ich weiß es«, sagte sie mit leiser Stimme. »Was ich da sehe, ist ein riesiges Gesicht.«
Lefty Farr sagte kein Wort. Er wandte den Kopf und sah noch mal hin. »Ich weiß nicht, ein Gesicht stelle ich mir anders vor.«
»Es ist auch nur ein Umriss.«
»Na gut…«
»Aber es macht mir trotzdem Angst.«
»Warum?«
Rita wartete mit der Antwort. Manchmal schaute sie aus dem Seitenfenster, dann blickte sie wieder nach vorn und runzelte die Stirn.
»Eigentlich darf ich es dir ja nicht sagen, aber hier gibt es eine besondere Situation.«
»Was darfst du mir nicht sagen?«
»Meinen Wunsch, den ich in meinem Innern ausgesprochen habe.«
»Willst du ihn mir denn jetzt sagen?«
»Ja, schon.«
»Da bin ich gespannt.«
Die Spannung hielt bei Lefty noch an, denn seine Freundin rückte nicht sofort mit der Antwort heraus. Sie nahm einige Male Anlauf, das war schon zu sehen. Sie geriet auch ins Schwitzen, die Haut auf ihrem Gesicht glänzte, und dann brach es aus ihr hervor.
»Ich habe mir gewünscht, dass mein verfluchter Stiefvater vom Höllenblitz getroffen wird!«
***
Jetzt war es heraus, und Rita sackte auf dem Beifahrersitz förmlich zusammen. Ihr Freund sagte nichts dazu. Er spürte, dass seine Kehle trocken geworden war, und hatte zudem das Gefühl, dass seine Augen brannten. Er konnte mit dieser Antwort im ersten Moment nichts anfangen.
Nur langsam drehte er den Kopf nach links. Dort saß Rita und bewegte sich nicht.
»Hast du dir das wirklich gewünscht?«, fragte er.
Sie nickte heftig.
»Aber warum?«
»Weil ich ihn hasse. Ja, verdammt, ich hasse dieses Schwein! Und das habe ich dir schon öfter gesagt.«
»Das weiß ich.«
»Dann kannst du mich auch verstehen.«
Lefty musste erst nachdenken. Er wollte nichts Falsches sagen.
Okay, er liebte seine Freundin. Er würde nicht von ihr lassen, das war gar nicht möglich, aber einem Menschen den Tod so intensiv zu wünschen, das war nicht normal.
Dass sich der Umriss des Gesichts am Himmel gezeigt hatte, war für ihn schon in Vergessenheit geraten. Es hätte auch eine Einbildung sein können, doch was ihm seine Freundin da mitgeteilt hatte, war keine Einbildung gewesen.
Eine Wahrheit – eine so schlimme Wahrheit, dass er Rita jetzt mit anderen Augen sah.
»Meine Güte, das hätte ich nicht von dir gedacht.«
Sie lächelte zuckend. »Bist du jetzt enttäuscht?«
»Weiß nicht…«
Rita legte die flache Hand auf sein Knie. »Ich bin es ja auch irgendwie. Ich weiß nicht so recht, was über mich gekommen ist. Plötzlich verspürte ich den Wunsch, ihn tot zu sehen. Du weißt selbst, was er für ein Schwein ist. Er hat meine Mutter über Jahre hinweg leiden lassen. Ich bin vor zwei Jahren ausgezogen, als er mich vergewaltigen wollte. Da war ich Sechzehn. Ich habe in den letzten zwei Jahren ein beschissenes Leben gehabt, bevor ich dich kennen lernte. Nur heimlich
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