1435 - Tödlicher Frost
Einen Tower gab es nicht, dafür die Kasernenanlage mit Wachtürmen und einfachen Blockhausbauten, die wie breite und graue Kästen wirkten. Man schien sie in die Landschaft gestellt und vergessen zu haben. An einigen ungeschützten Stellen lagen noch schmutzige Schneereste, ansonsten sah das Land braun und gerodet aus. Wer hier seinen Dienst schob, konnte ihn nur als Strafe empfinden.
Das Rollfeld lag sehr bald unter uns. In der Nähe parkten Autos.
Fast ausnahmslos Lastwagen. Es lag schon eine gewisse Strecke zwischen dem kleinen Flughafen und der Kaserne.
Wir setzten auf.
Ich verdrehte die Augen. Von oben hatte die Landebahn nicht so rumpelig ausgesehen. Jetzt bekamen wir die Löcher darin voll mit und wurden entsprechend durchgeschüttelt.
Empfindlich durfte man nicht sein. Da allerdings keine starken Winde herrschten, verlief die Landung recht glatt. Als wir stoppten, klatschte keiner der Soldaten. Die Männer schnallten sich los. Wer in ihre Gesichter schaute, der konnte sehen, dass sie sich auf ihren neuen »Job« so richtig »freuten«. Sie vergaßen allerdings nicht, meiner Begleiterin begehrliche Blicke zuzuwerfen, die Karina ignorierte, denn so etwas war sie gewöhnt.
Als Letzte stiegen wir aus. Ich musste über eine wacklige Leiter steigen, und ich hielt meine Reisetasche fest, die recht schwer war, weil sich auch festes Schuhwerk darin befand.
Die Soldaten mussten auf die Ladefläche eines Lastwagens klettern. Andere löschten die Ladung, doch darum kümmerten wir uns nicht.
Es war kühl, fast kalt. Die Temperatur musste leicht über dem Gefrierpunkt liegen, und ich war froh, die dicke Lederjacke über den Pullover gestreift zu haben.
Auch Karina trug eine lange Lederjacke. Die Säume schlugen beim Gehen gegen den Stoff der Cordhose. Der Wind wühlte in unseren Haaren.
Karina stand da und schaute sich um. Sie hatte mir gesagt, dass man uns abholen würde. Schließlich hörten wir das Motorengeräusch eines anfahrenden Wagens. Wir drehten die Köpfe nach links. Von dort kam ein Fahrzeug auf uns zu, das Ähnlichkeit mit einem Jeep hatte, dessen Baujahr allerdings schlecht einzuschätzen war. Wichtig war, dass der Wagen fuhr und dass die Bremsen funktionierten, was der Fall war, denn der Fahrer stoppte direkt vor uns und stieg schnell aus.
Er war ein hagerer Mann mit grauen Haaren, die unter seiner Schirmmütze hervorlugten. Sein Gesicht war schmal und lang, und der Mund wirkte irgendwie kantig.
»Karina Grischin?«
»Ja, das bin ich.«
Der Fahrer salutierte. Ich hörte, dass er Jasper hieß. Was er danach sagte, war für mich kaum zu verstehen. Die wenigen Worte Russisch, die ich kannte, konnte man vergessen.
Karina und er sprachen kurz miteinander. Danach winkte mir die Agentin zu.
»Einsteigen.«
»Wo geht es hin?«
»Zu Major Grassow. Er ist der Chef in dieser Anlage. Einen höheren Offizier haben sie wohl für diese Anlage nicht gefunden, denke ich.«
Ich nahm auf dem Rücksitz Platz. Karina setzte sich neben den Fahrer, der Gas gab und über die Holperpiste rollte. Ich blieb auf dem zerschlissenen Kunstlederpolster sitzen und schaute mich um.
Nein, Freunde, hier wollte ich nicht tot überm Zaun hängen. Aber manche Menschen können es sich eben nicht aussuchen. Da befand ich mich schon auf der besseren Seite. Wobei ich hoffte, dass ich heil wieder zurück nach London kam und nicht hier in Sibirien begraben wurde…
***
Der Major hatte bereits auf uns gewartet und Tee gekocht. Sein Büro war nicht besonders groß. Irgendwie roch es alt, aber es war auch zu warm, was an dem kleinen Ofen lag, dessen Feuerstelle wie ein viereckiges Auge glühte.
Stühle gab es genug, und so nahmen Karina und ich Platz. Der Major saß uns gegenüber. Hinter ihm an der Wand hing ein Bild von Wladimir Putin, der wie immer sehr ernst und bestimmend schaute. Daneben stand als Banner die russische Flagge, deren Stoff bereits ziemlich angestaubt aussah. Auch ein Kalender hing an der Wand, und ein Metallschrank verbarg irgendwelche Unterlagen.
Major Grassow selbst war ein kantiger Typ mit hoher Stirn und Falten im Gesicht, die nicht darauf hindeuteten, dass er bisher ein fröhliches Leben gehabt hatte. Hinzu kamen die Sorgen, die er sich wegen der verschwundenen Leichen machte.
Karina sprach mit ihm Russisch. Einige Male deutete sie dabei auf mich, und so wurde ich jedes Mal mit einem recht düsteren Blick bedacht. Mir wäre es natürlich lieber gewesen, das Gespräch auf Englisch führen zu können.
Ich
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