1435 - Tödlicher Frost
sprach Karina darauf an, und sie erkundigte sich bei Grassow.
Der wischte über seinen Nasenknorpel hinweg, verzog die Lippen und gab zu, dass er einige Brocken verstand. Er hatte sie früher in seiner Ausbildung gelernt.
»Das ist ja schon mal ein kleiner Lichtblick.«
Karina lächelte mir zu. »Wir werden sehen.«
In den nächsten Minuten gab es eine Unterhaltung in beiden Sprachen. Wir wechselten uns ab, Karina Grischin übersetzte, und sie holte schließlich auch den Teekessel vom Feuer und schenkte drei hohe Tassen voll.
Der Major erzählte seine Erlebnisse, ohne dass er große Emotionen dabei zeigte. Als er dann davon sprach, dass die Leichen verschwunden waren, wusste er nicht so recht, ob er erleichtert oder frustriert sein sollte.
»Dann müssen sie aufgetaut sein«, sagte ich.
Der Offizier nickte.
»Aber es hat sie wirklich gegeben?«
»Sicher! Ich habe einen Zeugen, und ich habe die Fotos.« Grassow hatte darauf gewartet. Er zog eine Schublade auf und holte die Bilder hervor, die mir Karina schon in Moskau gezeigt hatte.
Auf eine mir angebotene Lupe verzichtete ich und untersuchte die Bilder genau.
Es waren wirklich Menschen zu sehen. Männer und Frauen, die starr auf ihren Plätzen standen. Mich interessierte ihre Kleidung. Ich ging davon aus, dass sie bereits seit sehr langer Zeit in dieser Höhle verweilten. Irgendwann musste etwas vorgefallen sein, das sie zu diesen Eisgestalten hatte werden lassen, aber den Grund dafür konnte ich nicht erkennen.
Ich sah kein Eis in der Höhle. Es bedeckte weder die Wände noch den Boden oder die Decke. In der Umgebung sah alles normal aus.
»Und jetzt sind sie weg«, erklärte Karina, die sich mir zudrehte.
»Was sagst du?«
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung zunächst. Wir werden sie wohl suchen müssen.«
»Das dachte ich mir auch.« Karina wandte sich wieder an den Major und fragte: »Sind diese Gestalten mittlerweile wieder aufgetaucht? Haben Zeugen sie gesehen?«
»Bisher nicht. Ich habe jedenfalls nichts gehört.«
Die Antwort verstand auch ich. Sie war zweisprachig gegeben worden. Mal ein Wort in Englisch, mal in Russisch.
»Und was haben Sie unternommen, Major?«
»Ich? Wieso?«
»Ja, Sie. Es muss doch…«
»Ich habe alles weitergeleitet. An Moskau, an Sie, Karina Grischin. Was hätte ich sonst tun sollen?«
»Etwas selbst in die Hand nehmen.«
»Verstehe ich nicht.«
»Gut, dann frage ich Sie direkt: Haben Sie zum Beispiel eine Suchaktion gestartet?«
»Nein.«
»Das hätten Sie tun sollen.«
Grassow schüttelte den Kopf. »Ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Fehler begehen.«
Karina musste lächeln. »Ja, so kann man es auch ausdrücken. Keine Zeugen, keine Suchaktion.« Sie schaute ihn scharf an. »Aber wir müssen diese Gestalten finden.«
»Ja, aber wo?«
»Ich kenne mich hier nicht aus, und ich weiß auch nicht, was sie vorhaben.«
Ich mischte mich ein, und Karina übersetzte meine Frage wenig später. »Können Sie sich vorstellen, dass sich diese Unpersonen auf den Weg zu anderen Menschen gemacht haben?«
»Das wäre schlimm.«
»Ja, das wäre es. Aber können Sie sich so etwas vorstellen?«
Der Major strich über seine Brauen. Dann trank er Tee und meinte schließlich, dass er nichts in dieser Richtung gehört hatte. Ich erfuhr, dass es zwei Dörfer gab, die nicht allzu weit von der Kasernenanlage entfernt lagen.
»Es könnten Ziele sein«, sagte Karina zu mir.
»Stimmt. Dann sollten wir uns dort mal umschauen.«
»Gut, dann lass uns gleich fahren.«
Dagegen war ich nicht, aber mir kam noch eine andere Idee. »Frag ihn mal, wie weit es bis zur Höhle ist.«
»Du willst hin?«
»Ja, ich möchte sie mir ansehen. Noch ist es hell.«
Karina Grischin nickte. »Die Idee ist gar nicht mal so schlecht.« Sie wandte sich wieder an den Offizier, der nicht lange nachdachte.
»Eine halbe Stunde muss man fahren. Das Gelände ist aber nicht sehr einfach.«
»Dann nehmen wir Ihren Wagen.«
»Bitte sehr.« Es gefiel ihm nicht, das sahen wir seinem Gesicht an, aber er schlug trotzdem vor, uns seinen Fahrer Jasper zur Seite zu stellen, was Karina allerdings ablehnte.
»Es reicht schon, wenn Sie uns den Wagen überlassen und uns eine gute Wegbeschreibung geben.«
»Das mache ich.«
Die Zeit lief uns nicht davon. Zuvor wollten wir uns noch die Zimmer anschauen, in denen wir untergebracht waren. Sie lagen in diesem Offizierstrakt, waren alles andere als groß, aber es gab in jedem Raum ein altes Metallbett, einen
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