1435 - Tödlicher Frost
hatten uns beide gesehen, und seine nächste Geste sah ich einfach nur als Spott an. Er hob den Arm, winkte mir zu und heulte plötzlich auf wie ein Wolf.
Dem schaurigen Geräusch konnte ich nicht entgehen. Es quälte meine Ohren, und ich musste es als Siegesheulen einordnen, denn der Schamane und die alte Macht hatten gewonnen.
Auch mir war nach Heulen zumute, als ich daran dachte, was vor mir lag. Nur heulte ich nicht, sondern schrie meine Wut hinaus. Dabei wurde mir richtig klar, in welch einer Lage ich steckte. Ich war in einem fremden Land auf mich allein gestellt und musste zudem mit einem höllischen Gegner rechnen.
Es gab nur eines: Ich musste Karina Grischin in den Wagen laden und mit ihr den Rückweg zur Kaserne antreten.
Vorsichtig hob ich sie an. Und dabei fühlte ich nach ihrem Puls.
Ich legte meine Fingerkuppen gegen die Aorta.
Sekunden verstrichen.
Nichts – oder…?
Ich wusste es nicht. Ich war auch innerlich nicht in der Lage, mich darauf zu konzentrieren. So schnell wie möglich musste ich mich und Karina in Sicherheit bringen.
Der einzige Ort war die Kaserne. Ob wir dort auch tatsächlich sicher waren, diese Frage stellte sich. Hier war durch das lokale Beben eine uralte Macht erweckt worden, die nichts von ihrer Kraft verloren hatte, und genau das machte mir Angst.
Sie verging auch nicht, als ich den Wagen startete und mich auf den Rückweg machte…
Wie klein waren doch meine Probleme, mit dem Fahrzeug zurechtzukommen, im Gegensatz zu denen, was mit Karina Grischin geschehen war. Die Berührung des Schamanen wirkte auch weiterhin nach. Die russische Agentin war nicht erwacht. Sie lag auch steif auf dem Rücksitz, wobei sie sich in halb liegender und halb sitzender Stellung befand. Bei dem holprigen Untergrund allerdings veränderte sich ihre Haltung schnell, und so war sie irgendwann aus der Fläche des Innenspiegels verschwunden. Ich konnte nur hoffen, dass sie wieder zurückkehren konnte ins normale Leben.
Natürlich wollte ich die Kaserne so schnell wie möglich erreichen.
Jetzt hätte ich etwas darum gegeben, Suko an meiner Seite zu haben.
Herbeizaubern konnte ich ihn nicht, und so musste ich mich auf Major Grassow verlassen.
Fälle in Russland waren immer kompliziert. Das hatte ich schon oft genug erlebt. Auch in den Zeiten, als ich Karina Grischin und Wladimir Golenkow noch nicht gekannt hatte. Jeder Besuch war für mich ein Tanz auf dem Vulkan gewesen.
Als ich an Wladimir Golenkow dachte, da hakte es in meinem Kopf. Er war plötzlich wichtig für mich geworden, denn ihn musste ich so schnell wie möglich anrufen, um ihm Bescheid zu geben, was hier abgelaufen war und noch ablaufen würde. Dass dieses eintrat, davon war ich fest überzeugt. Und für ihn würde es nur eine Möglichkeit geben: Alles liegen und stehen zu lassen, um so schnell wie möglich hier zu sein.
Die Dinge waren noch nicht ausgestanden. Da würde noch etwas nachkommen, und das mit der Urgewalt eines Gewitters. Die Gestalten hatten nicht grundlos die Höhle verlassen. Zudem ging ich davon aus, dass sie von diesem alten Schamanen geleitet wurden.
Der Tag hatte sich noch nicht seinem Ende zugeneigt.
Wenn man in dieses Land hineinschaute, da konnte einem schon der Atem stocken. Alles erschien mir so unendlich. Und über diesem unendlichen Land lag ein gefleckter Himmel, der zahlreiche Grautöne zeigte, die aus Richtung Westen golden von einer sich neigenden Sonne angestrahlt wurden.
Den weichen Untergrund hatte ich verlassen. Der Wagen fuhr jetzt über eine festere Fläche. Ich konnte die Geschwindigkeit erhöhen, und darüber war ich froh.
Gewünscht hätte ich mir auch eine Reaktion Karina Grischins. Ein Ruf, ein paar Worte oder nur ein Atemzug, aber da war nichts zu hören.
Es hatte keinen Sinn, in Panik zu verfallen. Ich musste mich mit den Gegebenheiten abfinden und dafür sorgen, dass das Grauen, das sich hier anbahnte, gestoppt wurde.
Ein erstes Lächeln umspielte meine Lippen, als ich vor mir den Stützpunkt auftauchen sah. Die Baracken lagen wie Fremdkörper in der Landschaft. Wer hier lebte, war darauf angewiesen, aus der Luft versorgt zu werden. Dafür gab es eben die Landebahn, wobei Landungen auch witterungsabhängig waren.
Auf der letzten Strecke zum Tor war der Untergrund fast glatt. Ich drückte aufs Tempo und erreicht sehr bald die Sicherungsanlagen.
Panzersperren gehörten ebenso dazu wie Stacheldraht oder ein hoher Zaun. Selbst ein Wachturm fehlte nicht. Er war Tag und Nacht
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