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1435 - Tödlicher Frost

1435 - Tödlicher Frost

Titel: 1435 - Tödlicher Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ich mich nicht. Als Grassow sein Büro verlassen hatte – zuvor hatte er seine Mütze mit einer zackigen Bewegung aufgesetzt –, griff ich zum Hörer und wählte eine Nummer, die nur wenige Menschen kannten.
    Ich glaubte fest daran, dass Wladimir Golenkow zu erreichen war.
    Schließlich wusste er, dass sich Karina im Einsatz befand und ich mich im Land aufhielt.
    Er hob tatsächlich ab.
    »John hier…«
    »He, Towarischtsch, das ist eine Freunde. Bist du gut am Ende der Welt eingetroffen?«
    »Ja, zusammen mit Karina.«
    »Genau. Ist sie nicht noch hübscher geworden?«
    »Du sagst es.«
    »Ich freue mich auch darüber.«
    Die Freude musste ich ihm leider nehmen, denn was er in den folgenden Minuten von mir hörte, das ließ ihn zunächst mal sprachlos werden. Dann hörte ich ihn flüstern, verstand allerdings nicht, was er sagte.
    »Ja, so ist es, Wladimir, und ich habe nichts dagegen tun können. Ich weiß auch nicht genau, was hier vor urlanger Zeit passiert ist, aber es hat diese Menschen gegeben, davon müssen wir ausgehen.«
    »Sicher«, flüsterte er. »Ich kann nur nicht begreifen, was mit Karina geschah.«
    Seine Stimme war sehr leise geworden. Ich hörte, wie er litt, und wollte ihm etwas Trost spenden.
    »Sie ist nicht tot, Wladimir. Und ich werde alles tun, damit dies auch nicht eintritt.«
    Dass es in den Nebengebäuden plötzlich einen großen Lärm gab, nahm ich nur am Rande wahr. Es kam mir darauf an, Wladimir, der wirklich ein verflucht harter Hund war, zu trösten.
    »Du kannst dich darauf verlassen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um Karina aus dieser Starre wieder rauszuholen. Das ist versprochen.«
    »Ja, John, ich weiß«, hörte ich eine fast fremde Stimme sprechen.
    »Aber du bist allein und…«
    »Ich weiß.«
    »Gut, dann verstehst du auch, dass ich mir große Sorgen ihretwegen mache.«
    »Das auf jeden Fall.«
    »Und ich werde so schnell wie möglich bei euch sein.«
    Ich hatte erwartet, dass er dies sagen würde. Ich hätte bestimmt nicht anders gehandelt. Ich erklärte ihm auch, dass ich voll und ganz damit einverstanden war, und legte ihm dann meine Bedenken offen. Die drehten sich um den Faktor Zeit.
    Auch wenn er sich eine Maschine auslieh oder sich fliegen ließ, würde es recht langen dauern, bis er hier eintraf.
    »Das weiß ich, John. Das weiß ich alles. Aber du musst auch verstehen, dass ich es hier in Moskau nicht aushalte, wenn ich immer daran denke, dass es bei euch – na ja, verdammt, du weißt schon, was ich damit sagen will.«
    »Klar, ich verstehe dich.«
    »Ich komme, John, und versprich mir, dass du dabei auf Karina achtest. Keine – ach, verdammt – mach’s gut.«
    Das Gespräch war beendet. Ich konnte mir gut vorstellen, wie es in seinem Innern aussah. Da tobte bestimmt eine Hölle. Mir würde es auch nicht anders ergehen, wenn ich mich in der gleichen Lage befunden hätte.
    Major Grassow hatte für den Alarm gesorgt. Ich hörte von draußen her Stimmen, und als ich einen Blick aus dem Fenster warf, sah ich, dass die nahe Umgebung der Anlage erleuchtet war. Dafür sorgte das Licht der großen Scheinwerfer.
    Ich dachte an Karina Grischin. Fast hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, dass ich sie in meiner Bude zurückgelassen hatte. Der Major hatte woanders zu tun. Ich verließ sein Büro und brauchte nur wenige Schritte bis zu meinem Zimmer gehen.
    Ich öffnete die Tür – und blieb auf der Schwelle stehen. Es hatte sich etwas verändert, womit ich nicht gerechnet hatte.
    Karina Grischin saß auf dem Bett!
    ***
    In den folgenden Sekunden durchströmte mich das Gefühl einer großen Freude. Trotzdem lief ich nicht schnell auf sie zu, riss mich zusammen und betrachtete sie.
    Sie blickte nicht in meine Richtung. Und ich erkannte sehr bald, dass ihre Augen leer waren. Darin zeigte sich kein Ausdruck. Sie glich einer frierenden Frau. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und die Hände auf die Schultern gelegt. Die Haltung deutete an, dass sie sich selbst wärmen wollte.
    Ich ging so weit in das Zimmer hinein, dass ich die Tür schließen konnte. Hinter dem Fenster verteilte sich eine kalte Helligkeit, auch die Scheiben waren nicht mehr dunkel. Draußen kroch die Dämmerung heran, und sicherlich fielen mit ihr auch die Temperaturen.
    Ich bewegte mich nicht von der Stelle und blieb so still wie eben möglich, um richtig lauschen zu können. Ich wollte herausfinden, ob sie atmete, und dieses Atmen wollte ich hören.
    Nichts, gar nichts.

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