144 - Die Jenseits-Party
Friedhof fiel.
Mornas eilige Schritte knirschten auf dem
Kiesboden. Etwas schwerer, aber nicht weniger langsam mischten sich die von
Larry Brent darunter.
Zwischen den schwarzen, knorrigen Stämmen
schimmerte schwaches Licht. Die Helligkeitsquelle kam aus einem kleinen alten
Haus, das schon ziemlich verfallen aussah. Wahrscheinlich war dies früher die
Behausung des Friedhofsverwalters. Der Gottesacker nahm an Umfang zu, und das
alte Haus lag nun dort, wo er früher zu Ende war.
Das Haus wurde aber offensichtlich noch
benutzt.
Und da Mornas Ziel dieses Häuschen mit dem
windschiefen, undichten Dach war, steuerte es auch Larry Brent an.
Die hinteren Gräber waren älter, einige
Grabhügel waren eingesunken, die Steine abgesackt und die Kreuze so verwittert
und zum Teil verfault, daß selbst bei Superbeleuchtung die Inschriften kaum
lesbar wurden.
Der Platz vor dem alten Haus war ein
regelrechtes Quadrat, das von einer Gruppe Weidenbäume gebildet wurde. Genau
mitten drin lag ein schmuckloses Grab, nur noch an der steinernen Einfassung zu
erkennen, der Grabstein war mit der Inschrift dem feuchten Laubboden zugewandt.
Morna betrat das dunkle Quadrat. Dahinter
lagen noch mehr Gräber, ebenfalls leer und öde und nicht mehr gepflegt. Dieser
Abschnitt des Friedhofes war wahrscheinlich so alt, daß selbst die
Hinterbliebenen jener Toten nicht mehr am Leben weilten oder ihre Toten längst
vergessen hatten.
Larry Brent verweilte direkt neben dem
massigen Stamm einer wind- und wettergegerbten Eiche, die auch schon mal einen
Blitzschlag abbekommen hatte, wie die tiefe Rindennarbe bewies.
Leise säuselte der Wind in den Wipfeln und
ließ die Blätter rascheln. Immer wieder schrie das Käuzchen und untermalte die
düstere, gespenstische Stimmung.
Außerdem war leises Quietschen zu hören, wie
es verrostete Scharniere einer Tür oder eines Fensters verursachte, wenn der
Wind sie bewegt.
Das Quietschen kam von der Tür her. Sie ließ
sich nicht mehr einklinken. Wenn der Wind sie weiter aufdrückte, wurde der
Lichtfleck auf dem Boden vor dem Haus breiter und gab außerdem den Blick ins
Innere des Gebäudes frei.
An einem einfachen Tisch saßen zwei Personen.
Ein Mann und eine Frau. Beide waren schon sehr alt und so in ihre Tätigkeit
vertieft, daß sie nicht mitbekamen, was sich da draußen vor der offenen Tür
abspielte.
Da war nicht mehr nur die fremde blonde Frau
zu sehen, die plötzlich am Randes des Baumquadrats stehenblieb - da passierte
noch viel mehr, und Larry hatte plötzlich das Gefühl, als Statist in einem
schlechten Film mitzuwirken.
Auf einem der nahegelegenen, verwilderten
Gräber war fahles Leuchten zu sehen. Es wurde stärker und nahm die Umrisse
einer Gestalt an, eines - Toten!
Die Leiche materialisierte aus dem Nichts wie
ein Gespenst, das aus einem anderen Reich kam. Und sie kam aus einem anderen
Reich - aus der Geisterwelt der Toten.
Larry hielt den Atem an. Unwillkürlich tastete
er nach der Innentasche seines Jacketts, wo das Bild steckte, das angeblich
Rha-Ta-N’my zeigte.
Hauptfriedhof von Apenrade, heute neunzehn
Uhr!
Gespenster-Party!
Es kam nicht nur dieser Tote. Es kamen noch
weitere.
Auf dem nächsten und übernächsten Grab
entstand das Leuchten, aus dem sich schließlich je eine Gestalt bildete.
Nun waren sie schon zu dritt.
Lautlos wie Geister schritten sie gemessen in
ihren zerfetzten Totengewändern zwischen den Gräbern entlang und näherten sich
dem Haus.
Ganz links war auf einem Grab eine weitere
Gespenster-Leiche erschienen. Sie brauchte nur zwei Schritte nach vorn zu tun
und stand schon vor dem Haus, in dem das alte Paar ahnungslos Karten spielte .
Schon waren es vier, fünf Leichen - und wenn
man Morna Ulbrandson mit ihrem frischen, jungen Aussehen dazurechnete ... schon
sechs.
Larry Brent verließ seinen Beobachtungsort
nicht. Er konnte von hier aus alles überblicken. Er mußte nur auf der Hut sein,
daß nicht wieder jenes Unverhoffte passierte wie auf dem Bauplatz an der
Autobahn.
Das bedeutete: Er mußte Ausschau halten nach
Anita Caunen und Brigitta Shäben. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, daß
am Abend hier eine wichtige Entscheidung fiel, und daß alle damit zu tun
hatten. Die Opfer des unheimlichen Täters, Pieter Delonk und die
Geister-Leichen.
Schatten und Dunkelheit hüllten ihn ein, und
niemand schien seine Ankunft bisher bemerkt zu haben. Aber gerade hier war er
skeptisch. Da Morna Ulbrandson offensichtlich eine der ihren war, stand auch
sie
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