1441 - Der Seelenfluss
leider. Wie ich ihn kenne, wird er in der Nacht nur ungern gestört. Aber das ist Ihre Sache. Zunächst werden wir uns um Ihre Tochter kümmern.«
»Sie ist nicht da, verflucht!«
Der Typ hatte uns lange genug aufgehalten. Ich sah auch, dass Shao wie auf glühenden Kohlen stand. Sie hatte mir das Gespräch überlassen und sich selbst umgeschaut. Dabei hatte sie des Öfteren in den Flur hineingesehen, aus dem der Chinese gekommen war.
»Wir müssen dorthin.«
Für mich war alles klar, allerdings auch für Han-Check. Er versuchte es noch mal und schrie mich an. Ich ging einfach los, und als er mich mit körperlicher Gewalt aufhalten wollte, packte ich ihn und schleuderte ihn in den Flur hinein.
Er prallte dort mit dem Rücken gegen die Wand, fluchte, stolperte über die eigenen Beine, fiel hin, raffte sich wieder auf und ließ uns passieren. Sein Gesicht hatte einen anderen Ausdruck angenommen.
In ihm war zu lesen, dass wir uns auf der richtigen Spur befanden.
Han-Check wollte verschwinden. Dagegen hatte ich etwas. Ich bekam ihn am Kragen zu packen und schleuderte ihn wieder vor. Die offen stehende Tür war mir schon zuvor aufgefallen.
Da Shao den Mann mir überlassen hatte, war sie schon vorgelaufen. Und sie erreichte die offene Tür als Erste. Sie blieb auf der Schwelle stehen, ein Blick nach vorn, dann der nächste Schritt, und aus ihrem Mund wehte ein leiser Schrei.
Bevor sie mir eine Erklärung geben konnte, hatte ich ebenfalls die Türöffnung erreicht. Ich drückte Han-Check über die Schwelle, und mein Blick glitt durch ein recht großes Büro, in dem besonders der große wertvolle Seidenteppich auffiel, der allerdings nicht mehr glatt lag, sondern verrutscht war.
Dafür lag eine Öffnung im Boden frei. Neben ihr stand Shao und deutete schräg nach unten.
»Eine Falltür«, flüsterte sie.
War das die Lösung? Ich musste auf Han-Check achten und warf Shao meine kleine Lampe zu.
Sie strahlte durch die Öffnung und berichtete von einer Rutschbahn in die Tiefe.
Obwohl wir noch keine Bestätigung erhalten hatten, war uns klar, welchen Zweck diese Öffnung und auch die Rutschbahn hatten.
Eine uralte Methode, aber äußerst wirksam, um Menschen verschwinden zu lassen. Daran gab es nichts zu rütteln.
Han-Check stand so, dass er mir nicht entkommen konnte. Ich brauchte nur den Arm auszustrecken, um ihn zu packen. Das wusste er und machte deshalb auch nicht den Versuch, abzuhauen.
»Schlecht für Sie«, sagte ich und deutete auf die Luke. »Wen haben Sie da verschwinden lassen?«
»Keinen.«
»Was liegt darunter?«
Bevor er etwas sagen konnte, mischte sich Shao ein. Sie hatte sich gebückt vor die Öffnung gestellt, um zu lauschen, und sie schien etwas gehört zu haben.
Zuerst sah ich ihr Nicken, dann gab sie mir die Antwort. »Es plätschert, John. Da unten fließt etwas, John…« Sie schaute mich an, und ich wusste, dass sie mächtig unter Druck stand.
Das galt auch für mich. Möglicherweise hatten wir wichtige Dinge verpasst. Wenn wir Suko und Susa finden wollten, mussten wir die Rutsche hinunter in den Keller, wo das Wasser plätscherte.
Zuvor aber wandte ich mich an Han-Check.
»Wer ist dort hineingefallen? Wer?«
»Keiner, keiner…«
Er log schlecht. Ich packte ihn und schüttelte ihn durch. »Waren es Susa und ihr Begleiter?«
Ich erhielt keine Antwort. Aber ich wusste, dass dem so war. Das las ich ihm an den Augen ab.
»Ich gehe runter!«, zischte Shao.
Es war klar, dass sie es nicht mehr aushielt. Einen Moment später sah ich sie in der Luke verschwinden.
Auch mich drängte es, diese unterirdische Welt näher kennen zu lernen, aber ich wollte auch den Rücken frei haben. Freiwillig würde sich Han-Check nicht zurückziehen, und deshalb schlug ich zu.
Diese Schläge hatte mir Suko beigebracht. Wohl dosiert angesetzt, schickten sie einen Menschen ins Reich der Träume, wo er dann für eine Weile blieb.
Der Weg in die Tiefe war für mich frei. Vor der Öffnung blieb ich stehen und rief nach Shao.
»Ich bin hier unten!«
»Und weiter?«
»Nichts zu sehen von den beiden.«
»Spuren?«
»Ich glaube schon.« Ihre Stimme zitterte leicht, was nicht unbedingt etwas Gutes bedeuten musste.
Für mich gab es kein Halten mehr. Ich musste runter, und hatte ein verdammt ungutes Gefühl dabei…
***
Es war der zweite Angriff dieser verdammten fliegenden Drachen, und Suko erinnerte sich daran, wie er die erste Flut gestoppt hatte.
Er hätte auch diesmal keine großen Probleme gehabt,
Weitere Kostenlose Bücher