1441 - Der Seelenfluss
aber da gab es schon einen Unterschied.
Hier war seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt, und er war zudem verpflichtet, auf Susa zu achten, die sich nicht von der Stelle rührte und dem anfliegenden Schwarm entgegenstarrte. Er bildete eine Wolke über dem Bach. Das Schlagen der Flügel erzeugte diese dumpfen Geräusche, die wie von einem mächtigen Windstoß nach vorn geblasen wurden.
»Duck dich!«, fuhr Suko das Mädchen an. »Los, in die Knie mit dir. Schnell!«
Mehr konnte er für Susa nicht tun. Er fand auch keine Zeit mehr, um nachzusehen, ob sie sich daran gehalten hatte, denn der verdammte Schwarm hatte ihn fast erreicht.
Auf dem schmalen Gehsteig war nicht genügend Platz, um sie aufzuhalten. Deshalb musste Suko ins Wasser. Er hatte nicht gesehen wie tief es war, aber er ging davon aus, dass er darin kaum ertrinken konnte. Dann stand er im kalten und fließenden Wasser, das ihm bis knapp über die Knie reichte.
Die Peitschte hatte er bereits gezogen. Es war kein Problem, den Kreis zu schlagen.
Jetzt war die Waffe kampfbereit!
Und sie waren da. Suko sah in den folgenden Sekunden nichts mehr. Vor ihm hatte sich eine flatternde Wand aufgebaut. Er hörte keine Schreie, aber er sah die Körper, die Mäuler, die Augen, all diese hektischen Bewegungen. Und er wusste, dass diese Drachenmasse über ihn herfallen würde, wenn er nichts dagegen tat.
Suko schlug zu.
Er stand im Wasser. Er spürte es an sich vorbeifließen. Die Strömung zerrte an seinen Hosenbeinen, und er hatte längst festgestellt, dass der Untergrund recht glatt war.
Die drei Riemen fegten in die Masse hinein. Es war mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Macht der Peitsche räumte unter diesen kleinen, wilden, dämonischen Helfern auf. Die drei Riemen hieben Lücken in diese Masse. Suko drosch regelrechte Bahnen frei.
Nach wie vor stand er breitbeinig im Wasser. Seine Schläge führte er kreuzförmig durch, um so viele Drachen wie möglich zu erwischen.
Und er sorgte dafür, dass nicht zu viele an seinen Körper und an das Gesicht gelangten.
Um Susa konnte er sich nicht kümmern, aber dass die verdammten Drachen unter den Schlägen der Peitsche zu Staub zerfielen, gab ihm Hoffnung.
Leider war ihm die Sicht nach vorn versperrt, denn die Drachen füllten die Lücken immer wieder auf.
So sah er nicht, dass sich gegen die Strömung etwas Unheimliches näherte…
***
Susa hatte sich flach auf den Boden gelegt und sich dabei gegen das harte Gestein gepresst. In den ersten Sekunden hatte sie sich völlig taub angefühlt und sich gewünscht, eine andere Person zu sein, die nur einen Traum erlebte.
Leider war das nicht der Fall. Es gab diesen Traum nicht. Sie erlebte die Wirklichkeit, auch wenn diese kaum zu begreifen war. Sie hörte das Geräusch über sich und erwartete, dass sich die Drachen auf sie stürzen würden, um ihr die Zähne durch die Kleidung hindurch in die Haut zu hacken.
Das trat nicht ein.
Stattdessen kämpfte Suko gegen den dichten Schwarm an. Es dauerte zudem nicht lange, bis ihr klar wurde, dass diese Wesen von ihr nichts wollten, und so durchzuckte sie plötzlich ein Gedanke, den sie augenblicklich in die Tat umsetzte.
Auf dem Boden liegend kroch sie vor. Sie robbte praktisch unter der wilden, flatternden Masse hindurch. Es war der einzige Fluchtweg, der für sie noch infrage kam, und sie wunderte sich plötzlich, dass sie frei durchatmen konnte und auch von den Geräuschen nichts mehr zu hören war.
Trotzdem kroch sie weiter. Sie wollte auf keinen Fall aufgeben.
Susa schaffte es. Irgendwann hielt sie an. Sie war froh, davongekommen zu sein.
An der Wand zog sie sich hoch, hörte sich keuchen und jammern, und sah dann, als sie den Kopf nach links drehte, den dunklen, dichten Schwarm, gegen den Suko wie ein Besessener ankämpfte. Er schlug immer wieder mit der Peitsche hinein. Er verschaffte sich Lücken, und Susa wurde Zeugin, wie zahlreich die kleinen Drachen zu Staub zerfielen, aber nicht alle, denn immer wieder erhielten sie Nachschub.
Sie wollte Suko helfen. Sie hätte viel darum gegeben, es zu können, aber sie war hilflos – und erschrak bis ins Mark, als sie nach rechts schaute.
Dort kam etwas!
Sie konnte den Blick nicht mehr abwenden, denn was sich da über das Wasser schob – entgegen der Strömung – ließ sie einfach nur staunen und erzeugte zugleich eine Gänsehaut bei ihr.
Es war eine Barke, ein Boot. Und Susa erinnerte sich daran, das bleiche Licht in der Ferne gesehen zu haben. Nun
Weitere Kostenlose Bücher