1449 - Der Knochentempel
willst.«
»Es bleibt dir auch nichts anderes übrig, sonst ist die Verräterin hier tot.«
Suko öffnete die Tasche. »Wen hat sie denn verraten?«
»Alle hat sie verraten – alle!« Er ging nicht näher darauf ein, was er meinte, und schaute zu, wie Suko die Köpfe aus der Tasche nahm und dabei sehr vorsichtig mit ihnen umging. Er durfte nicht in Gefahr laufen, einen davon zu zerbrechen.
Der Reihe nach stellte er die Schädel auf den Boden. Es waren insgesamt vier.
»Reicht das?«
»Ja!«
Suko schleuderte die Stofftasche zur Seite und richtete sich wieder auf. »Dann haben wir ja alles erfüllt, und du kannst Ellen laufen lassen. Ist das okay?«
Damon schüttelte den Kopf. »Seid ihr verrückt? Ich soll sie und euch laufen lassen?« Er schrie vor Vergnügen. »Nein, diese Kathedrale hier ist der ideale Ort, um euch für immer verschwinden zu lassen. Ein Grab, das so leicht keiner findet. Irgendwann einmal wird man euch vielleicht finden, aber dann sind aus euren Leichen Skelette geworden mit Totenschädeln.«
»Werden die auch abgeschnitten?«, fragte ich.
Damon zuckte nach meiner Frage zusammen. Er war wohl überrascht, dass ich ihn danach gefragt hatte.
»Du bist gut informiert.«
»Das gehört zu meinem Beruf.«
»Ja, aber es wird dir nichts bringen, das schwöre ich dir. Nein, nein, es wird alles seinen Weg gehen. Und zwar einen Weg, den ich vorschreibe, verstehst du?«
»Noch nicht. Wir möchten gern wissen, was mit den Köpfen geschieht und warum sie hier liegen.«
Er lachte wieder. »Acht Köpfe. Acht Schädel. Ist das nicht wunderbar?«
»Nicht für uns.«
»Ich weiß!«, zischelte er. »Aber für ihn!«
»Du meinst den Köpfer?«
»Genau ihn. Den Köpfer. Er hat sie sich geholt. Er hat sie abgeschnitten. Er war derjenige, der ihre Gehirne…«
»Es reicht!«, rief ich. »Wann ist das geschehen? Wer war der Köpfer? Wir würden ihn gern sehen.« Bei diesen Worten dachte ich an das Gesicht aus dem Video.
»Ihr seid doch Bullen, nicht wahr?«
»Das sind wir.«
Damon hatte seinen Spaß. »Habt ihr denn nie etwas von William, dem Kannibalen, gehört?«
»Nein«, gab ich zu. »Ich kenne keinen Kannibalen.«
»Aber er war einer. Erst köpfte er die Leute, dann…«
»Ich weiß, was passierte. Aber ich möchte trotzdem aufgeklärt werden, verstehst du?«
»Klar.« Damon steckte voller gehässiger Freude, was mir natürlich entgegen kam. Wenn er redete, war er abgelenkt. Suko hielt sich aus bestimmten Gründen heraus. Ich wusste, was er vorhatte. Er wartete nur auf eine günstige Gelegenheit, um seinen Stab hervorzuholen und einzusetzen.
Noch hatte sie sich nicht ergeben, aber im Gefühl seiner Überlegenheit würde Damon hoffentlich einen Fehler machen.
»Hast du es vergessen?«
»Nein, das habe ich nicht. Damals war der Köpfer sehr berühmt. Es ist schon lange her. Um die vorletzte Jahrhundertwende herum hat er seine Zeichen gesetzt.«
»Du meinst, seine Untaten begangen.«
»Ja.«
»Aber auch er wurde erwischt.«
Damon fing an zu kichern. »Klar, er wurde erwischt. Kollegen von euch stellten ihn in einem Park hier in London. Sie dachten, sie hätten ihn, aber er machte ihnen einen Strich durch die Rechung, denn er köpfte sich selbst.«
»Ah ja, so ist das«, sagte ich. »Dann hat sich dieser William selbst umgebracht.«
Plötzlich schrie uns dieser Damon an. »Nein – nein, das hat er nicht! Für die anderen sah es so aus, als hätte er sich umgebracht. Aber es traf nicht zu. Tot ist nicht immer gleich tot, versteht ihr?«
»Nicht wirklich«, sagte ich.
Er sprach jetzt schneller, als würde er von irgendeiner Kraft getrieben. »Man kann auch nach dem Tod noch existieren, und so ist es auch bei William gewesen.«
»Ach ja? Wo denn?«
»Es gibt Reiche zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, die so gut wie keiner kennt. Kein Mensch, meine ich. Aber die Toten, die sehen es anders. Sie gleiten hinein. Manche von ihnen beherrschen die Zwischenwelten perfekt, und wer mit dem Tod oder dem Teufel ein Bündnis geschlossen hat, der gerät in diese Welten hinein. Der lebt dort wunderbar und zufrieden, denn er hat das Versprechen, dass er wieder in die Welt der Lebenden zurückkehren kann.«
»Auch William, der Kannibale?«
»Ja, auch er. Es müssen nur die Überreste seiner Opfer bei ihm sein. Dann gibt es für ihn keine Grenzen mehr.«
»Also acht Schädel?«
»Ja.«
»Sie sind da«, sagte ich.
»Zum Glück, und ich gebe dir den Befehl, sie in einem Kreis
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