145 - Die Suche nach Aiko
darauf, stets in der Deckung der hier höher stehenden Laubbäume zu bleiben.
Immerhin war die Gegend absolut menschenleer. Was auch immer sich hier bewegte – man konnte davon ausgehen, dass es sich um einen Daa’muren handelte.
Was auch nicht wirklich ein Vorteil war…
***
Er kam der Primärrassenvertreterin näher, das spürte er.
Ja – er spürte es. Er fühlte ihre oft verwirrten Gedanken, nahm den ihr eigenen säuerlichen Geruch auf, roch ihre Angst… Kurzum: die Vorfreude auf eine neuerliche Begegnung mit Lin’croo weckte Begierde in ihm.
Thul’hal’neiro ließ sich Zeit. Er genoss die Jagd. Die Menschenfrau konnte ihm unter keinen Umständen entkommen. Dazu war sie einfach zu schwach, zu langsam, zu desorientiert.
Hinter Thul’hal’neiro, am Ufer des Kratersees, war die Bergung der Kristalle mit den ontologisch-mentalen Substanzen ins Stocken geraten. Er hatte Gedankenfetzen aufgenommen: Die Präsenz einer Telepathin war am Uferrand geortet worden, vermutlich sogar die der Gefährtin von Mefju’drex! Das legte den Verdacht nahe, dass auch der Primärfeind in der Nähe war.
Doch als man über einen Stirnreif Ora’sol’gudoo unterrichten wollte, war die Verbindung massiv gestört worden. Die mentalen Kontakte von Daa’mure zu Daa’mure waren von dieser Störung nicht betroffen, wohl aber alle Gedankenwellen, die über den Lesh’iye Thgáan liefen, der hoch oben am Rand der Atmosphäre die Langstrecken-Kommunikation sicherte.
Es handelte sich um extrem starke Emotionswellen, die alles überlagerten. Woher sie kamen, war nicht festzustellen.
Thul’hal’neiro fragte sich, ob nicht vielleicht sogar die Emotions-Experimente seiner Artgenossen daran Schuld waren.
Bis man einen Boten zum Sol geschickt und weitere Befehle erhalten hatte, war einige Zeit vergangen. Jetzt schwärmten die Stärksten unter ihnen aus, um sich auf die Spur der Telepathin zu setzen, die unvorsichtigerweise noch immer spionierte.
Selbstverständlich hatte Thul’hal’neiro sich nicht um die Sache gekümmert. Viel zu sehr hatte er sich gewandelt, viel zu weit hatte er sich von den anderen seiner symbiotischen Einheit entfernt. Er wandte sich naheliegenderen Fragen zu. Was würde er tun, wenn er Lin’croo gestellt hatte?
Nun – er würde sich mit ihr vergnügen. Stunden-, vielleicht tagelang. Hoffentlich widersetzte sie sich ihm, denn damit sonderte sie weitere und neue Emotionen ab, die er in sich aufnehmen konnte.
Anschließend musste er sie natürlich neutralisieren. Und weiter ziehen, denn nach dem Mord an Veda’hal’lodu konnte er nicht mehr zurück. Also würde er irgendwo andere Opfer finden. In sie eindringen. Sie benutzen. Sie aussaugen.
Ein Ende seines Weges war abzusehen. Doch das lag in weiter Ferne. So weit weg, wie wohl auch ein Primärrassenvertreter seinen eigenen Tod sah.
Lin’croo war ganz in der Nähe. Hektisch suchte sie einen Weg aus einer Waldung verkrüppelter Bäume, das ihr Vorwärtskommen stark bremste. Vielleicht sollte er sich zeigen und bemerkbar machen, um sich an ihrem Schrecken zu laben?
Ja. Das war eine ausgezeichnete Idee.
***
Lynne wollte den Schrei unterdrücken, kam aber nicht dagegen an. Dies war mit Sicherheit jener Daa’mure, der es mit ihr getrieben hatte. Seine Schädeldecke war noch nicht wieder vollständig hergestellt, auch wenn die Selbstheilungskräfte der Echsenwesen enorm waren.
Angst und Panik krochen in Lynnes Gedanken, machten sie schwach, verwirrten sie erneut.
»Helft mir!«, kreischte sie ins Land hinein, so laut und schrill, dass ein hohles Echo von den Felswänden widerhallte.
»Um alles in der Welt – helft mir!«
Niemand antwortete.
Natürlich nicht. Alles, was Geist genug besaß, um denken zu können, war entweder längst geflüchtet oder von den Daa’muren einvernahmt und an ihre Brut verfüttert worden.
Wenn sie sich nun einfach hier hinsetzte, zwischen die Latschenkiefern, und aufhörte zu denken – würde der Außerirdische von ihr ablassen? Wenn sie ihrem Geist befehlen konnte, abzuschalten?
»Hilfe!«, schrie Lynne Crow, krächzte sie, jammerte sie.
Für mehr reichte die Kraft nicht mehr aus.
Der Daa’mure kam auf sie zu. Gleichmäßig wie eine Maschine und im Wiegeschritt. Seine Krallen waren ausgestreckt, deuteten Besitz ergreifend auf sie, schienen sie locken zu wollen.
»Paps«, murmelte Lynne, »hilf mir, bitte!«
Und ihr Vater kam…
***
Aruula steuerte das X-Quad weg vom Kratersee, über dorniges Gestrüpp hinweg
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