1451 - Die Siragusa Formeln
Schiffsführung!"
„Mai-Ti!" rief sie. „Wie sieht es mit der Manövrierfähigkeit aus?"
„Alles klar", antwortete die andere. „Wir können jederzeit Fahrt aufnehmen."
„Dann lautet so mein Befehl." Dao-Lin-H'ay richtete sich auf. „Ermittelt anhand der Schwerkraft, in welcher Richtung das tatsächliche Zentrum dieses Schwarzen Loches liegt."
„Schon geschehen!"
„Und jetzt nehmen wir Kurs in diese Richtung."
Mai-Ti und die übrigen Besatzungsmitglieder der Zentrale machten sich an die Arbeit. „Würdest du mir deine Anweisung erklären?" bat Nas-Kio. „Es ist völlig logisch. Der Haluter Icho Tolot hat die Station nur für sehr kurze Zeit wahrgenommen. Wir aber nehmen überhaupt nichts wahr. Es kann daran liegen, daß die Orter seines Schiffes wesentlich besser entwickelt waren..."
„Unmöglich!" rief Nas-Kio. „Nicht in dem Maß."
„Oder es liegt an diesem milchigen Licht Wir werden die Station orten, sobald wir etwas weiter in Richtung Zentrum vordringen."
Zwanzig Minuten vergingen, dann zeichnete sich auf den Orterschirmen ein tanzender Fleck ab; die Farbe änderte sich, die Größe wuchs, und Sekunden später hatten sie ein stabiles Bild. Das war die Station! Eine andere Möglichkeit sah Dao-Lin-H'ay nicht.
Die Station sah aus wie ein Kreuz, dessen Arme nicht im Winkel von neunzig Grad aufeinanderstanden. Jedes der Bauteile wies eine Länge von etwa tausend Metern auf. Die eine Seite endete in einer Verdickung von vierhundert Meter Höhe, die andere im siebenhundert Meter hohen Hauptteil. Insgesamt entstand so eine recht komplizierte Form. „Reagiert die Station?"
„Keine Anzeichen", gab Mai-Ti-Sh'ou zurück.
Dao-Lin wußte ihre Ruhe sehr zu schätzen. Ohne Ge-Liangs Beeinflussung würde die andere nun alles versuchen, sie, die ehemalige Wissende, auch gegen ihren Willen in Sicherheit zu bringen. Gerade jetzt übernahm Mai-Ti alle Organisationsarbeit. Und sie war wertvoll in dieser Funktion. „Wir nähern uns langsam. Aber Vorsicht dabei, die Schutzschirme müssen jederzeit stehen können."
Nichts geschah. Es war, als habe die Besatzung der Station sie nicht einmal zur Kenntnis genommen. Vielleicht gab es keine Besatzung, überlegte sie, das war die eine Möglichkeit, oder man ließ sie nahe genug herankommen, bis ein einziger Feuerschlag zur Vernichtung ausreichte.
Trotzdem entschied Dao-Lin, die Schirme nicht aufbauen zu lassen. Sie wollte nicht auf diese Art jede Verständigung von vornherein verhindern. „Nur noch ein paar tausend Kilometer", meldete Mai-Ti.
Dao-Lin richtete sich gespannt im Sessel auf. „Ist bereits optische Beobachtung möglich?"
„Auf keinen Fall! Nicht in dieser milchigen Lichtsuppe."
„Wir sehen die Station erst, wenn wir bis auf wenige hundert Meter heran sind", ergänzte Nas-Kio-P'ing. „Bis dahin muß die Ortung reichen."
Die MARA-DHAO verzögerte stetig.
Am Ende näherten sie sich dem sonderbaren Gebilde mit einer Geschwindigkeit, die man bereits in Kilometern pro Stunde angeben mußte.
Zehn Minuten später waren sie nahe genug. Das Schiff stand fast und von der Station gab es nach wie vor keinerlei Lebenszeichen. „Wir könnten sie anfunken", schlug Ge-Liang-P'uo vor.
Dao-Lin entschied dagegen. „Nein", sagte sie nur. Dabei hörte sie auf ihren Instinkt. „Seht ihr?" rief Mai-Ti. „Dort ist die Station!"
Aus dem milchigen Licht schälten sich allmählich Konturen. Der Umriß der Station entsprach dem Orterbild und war aus ihrem Blickwinkel leicht zu überschauen. Die Hülle wirkte schrundig und teils ausgebessert; fast unzerkratzte Stellen lagen direkt neben kraterartigen Vertiefungen und Rissen. „Achtet auf die Hülle", empfahl Nas-Kio-P'ing. „Von außen sieht die Station schlimmer aus als die meisten Raumschiffe. Es liegt daran, daß wir immerhin unter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Loches treiben. Eingefangene Materie wird relativ langsam zum Kern gezogen, teils in Spiralbahnen, teils auf geradem Weg. Daher die Schäden. Im Lauf der Jahrtausende ist hier einiges vorbeigekommen."
„Jahrtausende?"
„Natürlich", antwortete der Wissenschaftler. „Point Siragusa liegt im Leerraum. Bis Schäden dieser Art entstehen, vergeht eine lange Zeit."
Der Abstand betrug nur mehr dreihundert Meter. Neben der MARA-DHAO schwebte der riesige Körper der Station. Dao-Lin-H'ay traf ihre Entscheidung spontan, denn sie wußte, daß keine weiteren Daten zur Verfügung standen. „Es ist soweit. Wir gehen längsseits und verankern das
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