1485 - Er spielte auf zum Höllentanz
auf einem recht großen ovalen Teller die Auswahl der Vorspeisen serviert.
Es gab auch die eingelegten Zwiebeln, die ich so gern aß, und ich freute mich ebenso über die Thunfischscheiben mit der leckeren Fischsoße.
Das Brot mundete ebenfalls, sodass ich hochzufrieden war und alles in Ruhe genoß. Das heißt, nicht ganz. Ein Rest war noch auf dem Teller vorhanden, als sich mein Handy meldete. Ich hatte die Vibration eingeschaltet, so wurde kein anderer Gast gestört.
Melden oder nicht?
Ich entschied mich dafür.
Der Anrufer ließ mich erst gar nicht dazu kommen, meinen Namen zu sagen.
»Ich bin es, John.«
»Glenda?«
»Ja.«
»Das ist eine Überraschung.«
»Kann man sagen. Ich habe bei dir zu Hause angerufen und keine Verbindung bekommen. Bist du zufälligerweise dienstlich unterwegs?«
»Nein, ich sitze im Lokal und esse.«
»Das ist gut.«
»Wieso?«
»Ich würde dich gern bitten, zu mir zu kommen.«
Es schlug zwar keine Alarmsirene in meinem Kopf an, aber eine innere Unruhe machte sich schon breit. Ich glaubte nämlich nicht, dass Glenda aus Spaß angerufen hatte oder weil sie Langeweile hatte. Zudem hatte ihre Stimme schon leicht besorgt geklungen.
Vor meiner Antwort lachte ich leise. »Kannst du mir nicht sagen, was los ist?«
»Kannst du kommen oder nicht?«
»Klar, Glenda. Ich denke nur über den Grund nach. Im Büro hast du nichts dergleichen erwähnt.«
»Das weiß ich. Es hat sich seitdem einiges verändert.«
Um einen heißen Abend handelte es sich bestimmt nicht. Das hätte ich aus ihrer Stimme herausgehört. Glenda hatte sehr sachlich gesprochen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihr der Anruf Spaß bereitete. War er womöglich ein versteckter Hilfeschrei?
Rechnen musste ich damit, denn auch für Glenda interessierten sich unsere Freunde von der anderen Seite. Auch sie war schon in manch mörderischen Kampf mit Dämonen hineingeraten.
»Okay, ich mache mich gleich auf die Socken. Ich muss nur noch zahlen und zurück zum Wagen.«
»Danke.«
»Keinen Tipp?«
»Nein.«
»Okay, dann bin ich gespannt. Bis gleich.« Ich unterbrach die Verbindung, und auf meiner Stirn zeigten sich die ersten Sorgenfalten.
Dieser Anruf entsprach nicht Glendas normalem Verhalten. Etwas stimmte nicht, und ich ging davon aus, dass sie Probleme hatte.
Als der Kellner an meinem Tisch vorbeihuschen wollte, hielt ich ihn auf und bat um die Rechnung. Wenig später war ich unterwegs.
Und verdammt noch mal, mein Herz klopfte um einiges schneller als normal…
***
Alan Scott musste durch eine Einfahrt gehen, um sein Haus zu erreichen. Es stand auf der Rückseite des Grundstücks und war eigentlich nicht mehr als eine Laube. Allerdings war sie aus Stein gebaut worden und nicht aus Brettern.
Ihm gehörte die Bude, wie er sie nannte, nicht. Er war froh, dort wohnen zu können. In London war bezahlbarer Wohnraum knapp, und die Laube hatte er nur bekommen, weil der Besitzer ein Musikfan war und beide schon seit ihrer Jugend befreundet waren.
Als er die Einfahrt hinter sich gelassen hatte und durch den Garten ging, musste er immer wieder an dieses verdammte Geigenspiel denken. Das war für ihn schlimm gewesen. Nicht nur eine Tortur für seine Ohren, es hatte ihn auch psychisch fertig gemacht. Deshalb hatte er ja die Therapeutin aufgesucht. Wie oft er noch zu einer Sitzung gehen musste, wusste er nicht. Er konnte auch nicht sagen, ob er irgendwann dieses Geräusch mal loswerden würde. Es war alles so verdammt anders geworden, und er wollte nicht, dass diese verdammte Musik von nun an ständig zu seinem Leben gehörte.
Er musste durch den Garten gehen, der bereits eine herbstliche Färbung aufwies. Zu sehen waren die bunten Blätter nicht, nur zu hören, wenn er sie beim Gehen vor sich her schob.
Vor der Tür seiner Laube blieb er stehen. Es gab keine Laterne in der Nähe. Um das Schlüsselloch zu finden, knipste er eine winzige Leuchte an, die am Schlüsselbund befestigt war.
Er zögerte kurz und horchte in die Stille. Vielleicht gab es ja einen Verfolger. Sogar einen, der plötzlich auf der Geige spielte und ihn mit seiner schrillen Musik folterte.
Nichts dergleichen geschah. Er atmete trotzdem nicht auf. Das Spiel war noch nicht beendet. Es würde weitergehen. Er wusste es, und er fürchtete sich vor dem Alleinsein. Es gab keinen Ort, wohin er hätte gehen können, um sicher zu sein. Seine drei Musikerfreunde wollte er mit seinem Problem nicht belästigen. Sie hätten ihn obendrein noch ausgelacht.
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