1485 - Er spielte auf zum Höllentanz
Diese Blöße wollte er sich nicht geben.
Das Innere der Laube bestand nur aus einem großen Raum. Abgesehen von einem Nebenraum, in dem sich eine Toilette und eine Dusche befanden. Ansonsten schlief, lebte und kochte er in dem großen Raum, den er jetzt sehr bedacht betrat. Zunächst schaute er sich von der Tür her um, als das Licht brannte.
Er sah nichts Ungewöhnliches. Keine Spuren, die auf einen Einbruch hingewiesen hätten. Alles sah so aus, wie er es verlassen hatte. Auch das zerwühlte Bett hatte niemand berührt, und der Ständer mit den Noten war auch nicht umgekippt worden.
Es gab keinen Grund, sich Sorgen zu machen. Es war alles okay, und trotzdem wich das unangenehme Gefühl nicht, das wie ein Druck in Alans Nacken lag.
Obwohl die Luft abgestanden roch, öffnete er keines der beiden Fenster, um zu lüften. Er ging bis zum Bett und ließ sich darauf nieder. Die beiden Sessel ignorierte er.
Mappen mit Noten lagen in seiner Nähe auf dem Boden. Sie waren gestapelt, und er starrte darauf, ohne sie richtig wahrzunehmen. Er hatte das Gefühl, von etwas Fremdem unter Kontrolle gehalten zu werden, und genau das gefiel ihm ganz und gar nicht. Als Künstler musste man die Freiheit des Geistes haben, sonst lief nichts. Er aber erlebte eine Blockade und schaute nach einer Weile auf seinen Geigenkasten, der an der Wand lehnte. Er dachte nicht daran, die Geige hervorzuholen und zu spielen. Er hatte plötzlich das Gefühl, dieses Instrument zu hassen, denn was er gehört hatte – dieses grauenvolle Spiel –, hatte ihm die Lust genommen. Nein, so etwas wollte er nicht.
Überhaupt war das keine Musik gewesen, sondern die reine Folter. Als sollte sein Hörvermögen zerstört werden, damit er keine Musik mehr spielen konnte. Verrückt, aber so war es.
Das Spiel war vorhanden, nur konnte Alan nicht sagen, wer da spielte und woher die Musik kam.
Er dachte an seine beiden Mitspieler aus dem Trio. Silvia Ferrano, die Pianistin, und Robert Liebman, der Flötist. Ob beide das Gleiche erlebt hatten wie er?
Es hätte ihn zwei Anrufe gekostet, um das herauszufinden, nur traute er sich das nicht. Nein, das wollte er nicht. Wenn den beiden nichts dergleichen widerfahren war, wollte er sie auch nicht unnötig beunruhigen. Bestimmt war er der Einzige, der unter diesem Druck litt, und er fragte sich jetzt, wie lange er den noch aushalten musste.
Die Zeit tropfte dahin. Es passierte nichts. Er hörte nur seinen eigenen Atem. Weder Hunger noch Durst verspürte Alan. Er saß da und brütete.
Positiv sah die nahe Zukunft nicht aus. Am morgigen Abend hatte er ein Konzert. Er hatte sich mit Silvia und Robert vor dem Konzert verabredet, um noch über einige Einzelheiten zu sprechen. Schon jetzt dachte Alan Scott darüber nach, ob er bestimmte Dinge ansprechen sollte. Es konnte sein, dass er sich nicht gut fühlte und das Konzert schmiss. Seine Freunde mussten dann Bescheid wissen.
Es war für ihn ein wirkliches Hin und Her, und der Druck in seiner Brust nahm zu. Er spürte ihn sogar am Hals wie einen Würgestrick, der das normale Atmen schwer machte.
Anrufen oder abwarten?
Scott entschied sich dafür, es nicht zu tun. Er musste erst mit sich selbst zurechtkommen. Es war noch immer möglich, dass er oder Kira Sandrock eine Lösung fanden. Vor Beginn des Konzerts wollte er sie noch mal besuchen.
Alan stand auf. Jetzt kehrte der Durst wieder zurück. Der Kühlschrank war mit Getränken gut gefüllt. Auch eine Flasche Gin sah er, und die holte er hervor.
Er trank ihn nicht pur, sondern mischte ihn mit Cola, was ihm besser schmeckte. Mit dem hohen Glas in der Hand setzte er sich in einen Sessel. Er wusste nicht, wo er den Hebel ansetzen sollte. Die Dinge waren irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Er glaubte, eine Nachricht aus einer anderen Welt erhalten zu haben, die etwas mit seiner Musik zu tun haben musste. Und die Musik war das Wichtigste in seinem Leben. Sie hatte ihm bisher ein gutes Auskommen ermöglicht, aber jetzt sah er es davonschwimmen.
Gin und Cola. Eine gute Mischung, vor allen Dingen wegen des Gins. Er trank mit großen Schlucken und dachte daran, dass noch eine lange Nacht vor ihm lag.
Er fürchtete sich vor ihr. Vor allen Dingen deshalb, weil er in der letzten Zeit schlecht geschlafen hatte. Die Gründe lagen auf der Hand, und auch Kira Sandrock hatte sie nicht wegtherapieren können.
Er hörte die Musik. Aber das war nicht mehr alles. Zum ersten Mal hatte er auch etwas gesehen. Er wusste jetzt, wem er die
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