1485 - Er spielte auf zum Höllentanz
James, unser Chef, hatte seinen Bericht bekommen, und der Tag war recht ruhig verlaufen. So hatte ich mich ziemlich früh in meine Wohnung begeben und die Beine hoch gelegt. Ich erwartete zudem noch einen Anruf aus Venedig. Commissario Orbino wollte noch etwas klären oder berichten, wie die Dinge jetzt lagen.
Er hielt Wort. Ich erfuhr, dass noch ein Toter gefunden worden war. Ein Einheimischer. Er war der Freund der Japanerin gewesen, deren Leben Suko und Orbino gerettet hatten.
»Ansonsten kann ich hier wieder meiner normalen Arbeit nachgehen, John.«
»Das freut mich.«
Wir sprachen noch über unsere beiden Städte, und der Commissario versprach, irgendwann mal nach London zu kommen, um uns einen Besuch abzustatten.
»Aber wir haben nur die Themse als Fluss und nicht so viele Kanäle.«
»Das macht nichts. Ich bin froh, wenn ich mal mit einem Auto durch die Stadt fahren kann und nicht nur mit dem Boot. Hier verliert man das Gefühl für die Stadt.«
»Das kann ich nachvollziehen.«
Es gab noch ein paar Worte hin und her, dann verabschiedeten wir uns. Ich legte den Hörer wieder auf und schaute mich in meinem Living-room um. Er kam mir leer vor. Auch in den anderen Räumen hielt sich niemand auf, und es würde mal wieder einer der typischen Single-Abende werden, verbunden mit einer Flasche Bier und etwas lesen oder auch auf die Glotze zu schauen. Das prächtige Wetter war dabei, sich zu verabschieden. Das Laub an den Bäumen färbte sich allmählich bunt, und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Wind es abriss.
Ich hätte auch nebenan bei Suko und Shao essen können. Doch den Gedanken hatte ich wieder verworfen. Die beiden sollten nach unserer Abwesenheit einen ruhigen Abend verleben und nicht durch ein fünftes Rad am Wagen gestört werden.
Der Kühlschrank beinhaltete kaum Lebensmittel. Ich musste ihn mal wieder auffüllen. Und so entschloss ich mich, zum Essen auszugehen.
Lokale gab es in der Nähe genug. Vor allen Dingen internationale.
Ob italienisch, griechisch, spanisch, russisch, türkisch oder indisch, da hatte ich wirklich die Qual der Wahl.
Da die Lokale allesamt recht dicht beieinander lagen, wollte ich mich auf dem Weg dorthin entscheiden, welches ich aufsuchte. Ich streifte die Lederjacke über und verließ die Wohnung.
Draußen empfing mich der Herbstwind. Er war noch nicht besonders kalt und auch noch nicht zu einem Sturm geworden, doch den Kragen der Jacke stellte ich schon hoch.
Auch dunkelte es bereits, und am Himmel zeigte sich ein Fleckenmuster aus grauen und fahlbleichen Puzzleteilen.
Ob es Regen gab, stand nicht fest. Ich kümmerte mich auch nicht darum, der Weg war nicht weit.
Der Italiener war der Nächste. Ich dachte wieder an Venedig und kehrte dort ein. Weiße Wände, Holztische, eine lange Theke und Plakate an den Wänden bildete die Einrichtung. Ein paar Tische waren besetzt. Ich suchte mir einen in der Ecke aus, der nur für zwei Personen gedeckt war.
Ein Kellner mit lockigen Haaren trat an meinen Tisch und reichte mir die Karte. Ich bestellte eine Flasche Wasser und gönnte mir zuvor noch einen Grappa.
Den trank ich auf meinen Kollegen Mario Orbino. Der Commissario war bei unserem letzten Fall über seinen eigenen Schatten gesprungen, denn die Macht, die im Hintergrund gelauert hatte, hatte sich auf beste Beziehungen zu den höheren Stellen in der Lagunenstadt verlassen können.
»Haben Sie schon gewählt, Signore?«
Ich klappte die Speisekarte zusammen. »Si, das habe ich.«
»Was darf ich bringen?«
»Eine Minestrone und danach den Antipasti-Teller, wenn es recht ist.«
»Sehr gern, Signore.«
Ich verzichtete auf ein Hauptgericht, weil ich mir den Magen nicht zu voll schlagen wollte.
Es dauerte nicht lange, da wurde die Suppe serviert. Nicht in der Tasse, sondern in einem großen weißen Teller. Sie sah sehr appetitlich aus und stammte nicht aus der Dose, denn das Gemüse darin war frisch.
Und sie schmeckte mir gut. Beim Essen überfiel mich schon die Vorfreude auf den Antipasti-Teller. Ich dachte daran, dass momentan kein Fall anlag. Allerdings konnte sich das schon morgen ändern. Als mir dieser Gedanke kam, ahnte ich noch nicht, dass die Änderung sogar noch an diesem Abend eintreten würde.
Noch hatte ich Ruhe. Ich aß den Teller leer und wartete auf das nächste Gericht. Der Kellner sah mir wohl an, dass es mir geschmeckt hatte. Er lächelte breit.
Ich bestellte ein Glas Weißwein und war mit dem Getränk sehr zufrieden. Dann wurde mir schon
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