1494 - Hexenhölle
ihm nicht bewusst. Ich folgte ihm, und auch mir wurde warm, worüber ich hinwegsah.
Der Hexenjäger musste vernichtet werden!
Wäre er ein Mensch gewesen, hätte ich vielleicht nicht so radikal gedacht, aber das war er nicht. Er war kein Mensch mehr. Äußerlich schon, aber es gab noch eine zweite Person in ihm, und die stammte aus Urzeiten, als die Erde noch wüst und leer gewesen war.
Eine Kreatur der Finsternis verbarg sich hinter Father Calderons menschlichem Gesicht, doch das löste sich jetzt auf. Er zeigte sein wahres Antlitz, er musste es zeigen, denn die Anwesenheit des Kreuzes zwang ihn dazu. So kam dieses wahnsinnige Tier in ihm hoch, das Ähnlichkeit mit der lang gezogenen Schnauze eines Wolfes zeigte, mit einer grünlichen langen Zunge.
Ein Sprung, auch wenn er mir noch so schwer fiel, brachte mich in seine Nähe. Und das war entscheidend, denn ich musste ihn mit meinem geweihten Kreuz berühren.
Der Kontakt klappte.
Ein gellender Schrei wehte über den Friedhof. Calderon schien in die Höhe geschleudert worden zu sein. Er kippte nach hinten weg.
Gleichzeitig schien der Scheiterhaufen einen Sog gebildet zu haben, der ihn irrsinnig schnell an sich riss.
Calderon konnte nichts dagegen unternehmen. Die fremde Kraft war einfach zu stark, und die Wucht schleuderte ihn mit einer Urgewalt in den Scheiterhaufen hinein, den man wieder mit Reisig aufgefüllt hatte.
Ein gewaltiger Funkenregen sprühte auf. Die glühenden Stücke wirbelten umher. Sie führten in der Luft einen Tanz auf, aber das alles interessierte mich nicht.
Andere Dinge waren wichtiger.
Calderon stand dicht vor dem Pfahl in der Mitte des Scheiterhaufens. Er unternahm noch einen letzten Fluchtversuch, wuchtete sich in die Höhe und präsentierte sich den Zuschauern als eine brennende Monstergestalt, die durch die Macht des Feuers in glühende Stücke zerrissen wurde.
Auch sie fielen wieder zurück in die Flammen, denn von Father Calderon sollte nichts zurückbleiben.
Ich drehte mich um.
Die Söldner standen starr auf ihren Plätzen. Keiner machte mehr den Eindruck, als würde er sich auf mich stürzen wollen. Das würde auch nicht mehr klappen, denn meine Aufgabe war erledigt.
Ich erlebte den starken Sog, der an mir zerrte. Zugleich zog sich die Welt vor mir zusammen. Der Mantel der Zeit breitete sich über mir aus.
Die Vergangenheit blieb Vergangenheit, meine Gegenwart erlebte ich, als ich die Augen öffnete.
Mein Blick fiel auf ein Bild an der Wand, das zwar noch vorhanden war, sich aber allmählich auflöste und dann ganz verschwand.
Es gab nicht mal eine Erinnerung daran. Auch sein Besitzer, ein gewisser Tim Bogart, würde sich nicht mehr erinnern können, denn er lag tot vor der Standuhr. Er war so etwas wie ein Auslöser dieser Ereignisse gewesen und hatte dies leider mit dem Leben bezahlen müssen.
Für mich war der Ausflug in die Vergangenheit bereits eine Erinnerung. Dass ich mir trotzdem nichts eingebildet hatte, stellte ich fest, als ich meine Schmerzen spürte, die sich so leicht nicht aus meinem Kopf vertreiben ließen…
***
Zwei Menschen standen beisammen und schauten in die untergehende Sonne.
»Ist er wieder weg?« fragte Cosima.
»Ja.« Irma nickte.
»Es war wie ein Wunder.«
Irma hob die Schultern und holte etwas aus ihrer Tasche hervor.
Ein kleines rotes Ding, ungefähr so lang wie ein Finger. Es hatte oben ein Rädchen und Irma drehte daran. Plötzlich erschien eine Flamme, und Cosima zuckte zusammen.
»Woher hast du das?«
»Er hat es mir geschenkt, damit ich weiß, dass es ihn auch gegeben hat. Ein Geist ist er jedenfalls nicht gewesen, und so lange ich lebe, werde ich diesen Feuerspucker behalten…«
ENDE
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