1494 - Hexenhölle
Teufel, nahm ich da mit?
War sie tatsächlich eine Person, die es geschafft hatte, einem Scheiterhaufen zu entfliehen? Ich kannte mich natürlich in der Geschichte aus und wusste, dass zahlreiche Frauen durch Denunziation auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden waren. Angeblich als Hexen, aber davon war so gut wie nichts wahr, obwohl es sie schon gab, denn ich hatte im Laufe der Jahre meine Erfahrungen mit ihnen sammeln können.
Cosima sagte nichts. Sie wartete auf meine Entscheidung. Noch hatte ich mich nicht entschieden. Ich schaute sie nur an und beobachtete ihre Reaktionen.
War sie ein Mensch? Wenn ja, dann musste sie atmen wie ich auch.
Davon hatte ich weder etwas gesehen noch gehört. Ich wusste auch, dass es Zombies gab, lebende Leichen, die aus ihren Gräbern kriechen konnten, wenn sie lange in der Erde gelegen hatten. Das alles schoss mir in diesen Augenblicken durch den Kopf, aber es war verdammt nicht einfach für mich, sie als einen normalen Menschen anzusehen. Im Halbdunkel der Garage kam sie mir eher wie ein Gespenst vor.
»Sie trauen mir nicht, John Sinclair?«
»Ja, ich habe meine Bedenken.«
»Die müssen Sie nicht haben. Ich bin ja nicht gekommen, weil ich etwas Schlimmes von Ihnen will…«
»Sondern?«
»Ich möchte Ihnen etwas geben.«
»Wie schön. Und was?«
»Das sollten wir nicht hier besprechen. Und Sie brauchen keine Angst zu haben, dass wir Feinde sind. Ich glaube, Sie werden mir letztendlich dankbar sein.«
Ob sie nun überzeugend gesprochen hatte oder nicht, das war mir in diesem Moment eigentlich egal. Zudem war ich jemand, der sich wehren konnte, auch gegen Geschöpfe, die mit normalen Menschen nur wenig oder gar nichts zu tun hatten.
»Nun, John Sinclair?«
Ich hob die Schultern. »Sie können einen wirklich unter Druck setzen. Sagen wir so: Ich denke, wir sollten es probieren, und ich bin gespannt, was Sie mir zu sagen haben.«
»Ja, das können Sie auch.«
»Dann bitte«, sagte ich als höflicher und zugleich etwas misstrauischer Mensch und ließ Cosima, die Frau vom Scheiterhaufen, vor mir her zum Lift gehen…
***
In meiner Wohnung sah alles aus wie immer. Es war niemand eingebrochen. Es hing nur der leicht muffige Geruch des Tages in der Luft, weil über Stunden hinweg nicht gelüftet worden war.
Einen Vorteil gab es innerhalb meiner vier Wände. Es war heller als in der Tiefgarage, und so konnte ich mir diese Cosima genauer anschauen. Sie hatte zudem noch keinen Sitzplatz gefunden, stand an der Tür und schaute sich um.
Viel anders als unten sah sie nicht aus. Eine alte Frau, beinahe schon eine Greisin, die etwas gebückt dastand und mir ihr Gesicht mit der schlaffen, faltigen Haut präsentierte. Dazu gehörten der blasse Mund und die hängende Haut unter dem Kinn. Nur die Augen blickten seltsamerweise sehr klar. Sie waren von dunkler Farbe, und da war auch nichts verschwommen oder trübe.
»Sie können sich ruhig hinsetzen«, sagte ich und lächelte dabei.
»Egal wo. Sessel oder Couch.«
»Ja, ich bedanke mich.«
Schon auf dem Flur war mir ihr unsicherer Gang aufgefallen. Sie bewegte sich auch jetzt mit kleinen Schritten und zeigte dabei ein schüchternes Lächeln. Als sie endlich saß, nahm ihr Gesichtsausdruck eine gewisse Zufriedenheit an, als wollte sie damit ausdrücken, dass sie ihr Ziel erreicht hatte.
Ich behandelte Cosima wie einen normalen Gast und erkundigte mich, ob sie etwas trinken wollte.
»Ich habe oft Wasser zu mir genommen…«
»Kein Problem, das können Sie auch jetzt haben.«
»Danke.«
Ich verschwand in der Küche und kehrte mit der Wasserflasche und zwei Gläsern zurück, denn mittlerweile hatte ich auch Durst bekommen. Ein Bier zum Feierabend wäre mir zwar lieber gewesen, aber ich wusste nicht, wie der Abend noch verlaufen würde, da war es besser, wenn ich bei einem alkoholfreien Getränk blieb.
Während ich einschenkte, schaute sich die Frau um, ohne einen Kommentar abzugeben. Wenn sie wirklich sehr alt war und einem Scheiterhaufen entflohen war, dann musste das alles recht neu für sie sein, denn ich ging davon aus, dass sie aus einer anderen Zeit stammte und bis heute überlebt hatte. Wie auch immer. Den Grund dafür wollte ich unbedingt herausfinden.
Sie fasste das Glas mit beiden Händen an, deren Haut dünn und fleckig war. Ihr Gesicht zeigte noch immer den leicht neugierigen Ausdruck, und als ich mich nach vorn beugte und sie anlächelte, da blickte sie zur Seite.
»Haben Sie ein schlechtes Gewissen?« fragte
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