1496 - Keltenzauber
das Ziel ihrer Wünsche erreicht, und die Enttäuschung erfasste Johnny Conolly wie eine Flut.
Nur dauerte sie nicht lange. Drei oder vier Schritte weit trat die Keltin in diese andere Welt hinein. Aber die Insel wollte sie nicht, und sie wehrte sich dagegen.
Das Feuer entstand plötzlich und blieb dabei nur auf einen Punkt beschränkt.
Myrna loderte auf.
Sie reckte sich dabei, sie warf die Arme in die Höhe. Zwischen den rotgelben Flammen tanzten kleine grüne, und so wurde Johnny wieder daran erinnert, dass er in ihr eine Druidin gesehen hatte.
Einen Moment später gab es sie nicht mehr, und Nadine sagte mit leiser Stimme: »Eine Myrna, die den Weg nach Avalon sucht, wird es nie mehr geben…«
Johnny sagte nichts. Er schaute ins Leere. Er konnte noch immer nicht fassen, dass er tatsächlich noch am Leben war. Und das wiederholte er immer und immer wieder.
»Lass es gut sein, Johnny.«
»Danke, Nadine, danke. Und was ist mit dir?«
Sie lächelte ihn weich an. »Ich werde wieder in meine neue Heimat zurückkehren.«
»Avalon?«
»Wohin sonst?«
»Nimmst du mich mit?«
Als Johnny sie bittend anschaute, schüttelte Nadine den Kopf.
»Nein, das kann und will ich nicht, mein Freund. Du gehörst woanders hin. Denk an deine Eltern und an John.«
»Ja, ja, schon. In diesem Fall aber…« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe alles versucht. Es war wohl zu spät. Sie sind nicht gekommen, und das ist …«
»… ein Irrtum!«
»Wie?«
Nadine nickte. »Sie wissen Bescheid. Sie haben alles gehört, und die Verbindung zu dem Keltenhügel besteht noch immer. Ich denke, du solltest diesen Weg nehmen.«
Johnny riss die Augen auf. »Was? Sie sind da?«
»Ich habe nicht gelogen.«
»Aber wie soll ich…«
»Pssst!« Nadine legte beide Hände gegen Johnnys Wangen. Sie beugte sich zu ihm und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. Sofort danach ließ sie ihn los und ging zurück. Ihre Waffe nahm sie mit. Sie winkte mit der freien Hand.
Sie ging rückwärts, ohne Johnny aus den Augen zu lassen. Aber sie wurde schnell kleiner. Plötzlich sah es so aus, als würde sie von einer anderen Kraft aufgesogen werden.
Und vor Johnnys Augen zog sich die Umgebung zurück. Er verlor den Halt und fühlte sich plötzlich so leicht. Es wurde dunkel um ihn herum, und als er wieder normal sehen konnte, befand er sich woanders, aber zwei Menschen waren in seiner Nähe, die er verdammt gut kannte…
***
»Mein Gott, Junge!«
Mehr brachte Bill nicht hervor, aber er umarmte Johnny und schämte sich seiner Tränen nicht.
Ich stand ein wenig abseits und dachte noch darüber nach, wie Johnny so plötzlich erschienen war. Es hatte ausgesehen, als wäre er aus der Wand gekommen, und für einen winzigen Augenblick hatte ich noch in einen Zeittunnel schauen können. Ich hatte auch die rothaarige Frau gesehen und gedanklich gespürt, dass sie mir einen Gruß zusandte. Dann war der Kontakt vorbei gewesen.
Um es gleich zu sagen: Als Helden konnten wir uns beim besten Willen nicht ansehen. Wir hatten es nicht geschafft. Das konnte man von verschiedenen Seiten betrachten. Zum einen waren auch uns Grenzen gesetzt, und zum anderen konnten wir uns noch immer zu den normalen Menschen zählen, auch wenn es manchmal nicht so aussah. Selbst mein Kreuz hatte seine Kraft nicht entfalten können.
Zwar hatten die Kelten auch Kreuze gehabt, aber das war nach der Christianisierung gewesen und nicht zu den Zeiten, als diese Myrna aktiv gewesen war.
Wenig später verließen wir den Tunnel, und neben mir ging ein recht verlegen ausschauender Bill Conolly her.
»John, ich weiß, dass ich durchgedreht bin und dass du nicht anders hast handeln können, aber es war bei mir ein Ausnahmezustand, und ich…« Ich stieß ihn an. »War denn was?« Er blieb stehen, nachdem wir den Tunnel verlassen hatten. Sein Grinsen wurde breit.
»Ähm – sollte etwas gewesen sein?«
Ich legte meine Hand um seine Schultern. »Nein, überhaupt nichts. Ich zumindest kann mich an nichts erinnern.«
»Danke, Alter«, sagte Bill, »das vergesse ich dir nie…«
ENDE
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