15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
habe es von tausend anderen so gesehen.“
„Das sind sehr schlechte Reiter gewesen.“
„Sogar sehr gute! Ein Reiter, welcher sein Pferd lieb hat, der schont es; er sucht es also so viel wie möglich zu entlasten. Wie das zu machen ist, davon hat weder der Türke, noch der Araber eine Ahnung.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Ich glaube Ihnen.“
„Aber sind Sie kein Araber?“
„Nein.“
„Was sonst?“
„Ein Nemtsche.“
Da nickte er bedächtig vor sich hin und sagte:
„Ich habe in Stambul Leute aus Alemanja gesehen. Sie verkaufen Leinwand, Sacktuch und Messerklingen. Sie trinken Bier und singen Lieder dazu. Aber zu Pferde habe ich keinen einzigen von ihnen gesehen. Gibt es in Alemanja viele Soldaten?“
„Mehr als in Osmanly memleketi.“
„Aber um die Kavallerie muß es schlecht bestellt sein!“
„Sie reitet grad wie ich.“
„Fürwahr?“
„Gewiß!“
„Traurig, geradezu traurig!“
Er meinte es ehrlich. Es fiel mir gar nicht ein, ihm bös zu sein. Er mochte aber doch meinen, zu weit gegangen zu sein; darum sagte er:
„Sie sind fremd hier. Darf ich fragen, wohin Sie wollen? Vielleicht kann ich Ihnen nützlich sein.“
Es war vielleicht nicht geraten, ihm mit voller Aufrichtigkeit zu antworten; darum sagte ich:
„Zunächst nach Dschnibaschlü.“
„Da reiten wir noch eine Viertelstunde miteinander, dann geht mein Weg rechts ab nach Kabatsch.“
„Wohnen Sie dort?“
„Ja. Erraten Sie, was ich bin.“
„Nein. Ich wundere mich aber, daß Sie so jung dazu kamen, in den Dienst des Großscherifs zu treten, und daß Sie ihn bereits wieder aufgaben.“
„Weshalb es geschehen ist, wissen Sie bereits. Ich war früher Uhrmacher und bin jetzt Buchhändler.“
„Haben Sie einen Laden?“
„Nein. Mein Vorrat befindet sich hier in der Tasche. Ich verkaufe hier diese Sachen.“
Er griff in die Tasche und zog einen Zettel hervor. Dieser enthielt die Fattha, die erste Sure des Koran, mit gespaltenem Rohr in Neskhi-Schrift mittels aufgelöstem Gummi geschrieben und dann mit Gold bronziert. Er war also Kolporteur und hatte, wie ich bemerkte, einen großen Vorrat dieser Zettel.
„Wurde dies in Mekka geschrieben?“ fragte ich ihn.
„Ja.“
„Von den Hütern der Kaaba?“
Er machte ein pfiffiges Gesicht und zuckte die Achsel.
„Ich verstehe. Ihre Käufer glauben das letztere.“
„Ja. Sie sind ein Nemtsche, also ein Christ. Ihnen will ich es sagen, daß ich es selbst geschrieben habe, allerdings in Mekka. Ich habe einen großen, großen Vorrat mitgebracht und mache ganz gute Geschäfte.“
„Wieviel kostet ein Exemplar?“
„Je nach dem Vermögen des Käufers. Der Arme gibt einen Piaster, bekommt es vielleicht auch umsonst, während ich von den reichen Leuten auch schon zehn und noch mehr Piaster bekommen habe. Von dem Erlös lebe ich mit meinem alten Vater, der gelähmt ist, und kaufe mir das Material zu meiner Uhr.“
„Sie arbeiten also noch in Ihrem früheren Fach?“
„Ja. Ich arbeite an einer Uhr, welche ich dem Großherrn zum Kauf anbieten will. Es wird im ganzen Land keine zweite ihresgleichen sein. Kauft er sie, so bin ich ein gemachter Mann.“
„Also ein Kunstwerk?“
„Ja.“
„Werden Sie es fertig bringen?“
„Ganz gewiß. Erst hatte ich selbst Sorge; aber jetzt bin ich überzeugt, daß es gelingen wird. Und dann – dann, dann werde ich mit diesem Boschak reden!“
Er hatte die letzten Worte in beinahe drohendem Ton ausgesprochen. Der genannte Name frappierte mich. So hieß ja der Bäcker, zu dem ich wollte!
„Boschak? Wer ist das?“ fragte ich.
„Ihr Vater.“
„Warum sprechen Sie nicht eher mit ihm?“
„Er wirft mich hinaus, wenn ich jetzt komme. Ich bin ihm zu arm, viel zu arm.“
„Ist er denn reich?“
„Nein. Aber sie ist das schönste Mädchen von Rumili.“
Ich machte eine Armbewegung gegen die Sonne und sagte:
„Heut ist es heiß!“
„Hier ist es heiß!“ antwortete er, mit der geballten Faust nach der Gegend drohend, in welcher ich das Dorf Dschnibaschlü vermutete. „Ich war bei ihrem Vater, aber er zeigte mir die Tür!“
„Würde diese Schönste in Rumili Ihnen die Tür ebenso zeigen?“
„Nein. Wir sehen uns ja des Abends und sprechen miteinander.“
„Heimlich?“
„Ja, denn – anders geht es nicht.“
„Was ist ihr Vater?“
„Bäcker und Färber. Sie heißt Ikbala (Die Glückgebende).“
„Welch ein schöner Name! Ich wünsche, daß er an Ihnen in Erfüllung gehen möge.“
„Das
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