Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
heiwan – ich brauche es nicht; gesegnete Mahlzeit, mein gutes Tier!“
    Nachdem er die seltene Delikatesse verzehrt hatte, rieb er den schönen, charaktervollen Kopf an meiner Achsel, dann stieg ich auf und – – – kaum zwanzig Schritte weiter lag abermals eine Semmelzeile.
    Was war das? Was hatte das zu bedeuten? Diese Art von Manna regnet es weder vom Himmel, noch wächst es auf der Manna-Esche (Fraxinus ornus) oder kriecht als Mannaflechte (Sphaerothallia esculenta) am Boden hin!
    Ich stieg zum zweiten Mal ab, hob den Fund auf und steckte ihn die Satteltasche.
    Kaum wieder im Sattel, sah ich von weitem wieder eine Zeile liegen. Wieder absteigen? Nein! Ich gab dem Rappen die Sporen. Er legte sich lang aus, ventre à terre; ich nahm im Ritt die Semmel vom Boden auf und – – – erblickte einige Exemplare anderer Gebäckarten, an denen wir vorübersausten.
    War hier ein amerikanischer Roll-boy mit einem defekten Semmelwagen gefahren? Diese unternehmenden Gentlemen machen gern Geschäfte, aber so sehr weit vom heimatlichen Baker's oven verirren sie sich denn doch wohl nicht!
    Ich nahm das Pferd wieder in langsameren Gang, und nun zeigte es sich, daß auch weiterhin der Weg in verschiedenen Intervallen mit Gebäck interpunktiert war. Welch ein gesegnetes Land, dieses Rumelien!
    Ich ließ natürlich liegen, was am Boden lag, und trachtete danach, den wohltätigen Spender dieser nahrhaften Kommata zu erreichen. Ein kleines Gebüschinselchen inmitten der unbebauten Fläche – ich bog um dasselbe herum, und siehe, da stand er, der Wohltätige, und zwar in sehr irdischer Gestalt. Es war eines jener Wesen, welche von den Arabern Baghl, von den Türken Katyr, von den gelehrten Abendländern Equus hinnus und von den ungelehrten Deutschen respektwidriger Weise Maulesel genannt werden.
    Ja, da stand er und – – – fraß. Und was fraß er? Nicht etwa Semmeln, die doch meinem edlen Pferd so ausgezeichnet gemundet hatten, sondern Zuckerwerk, teures, süßes Zuckerwerk, wie es von den abendländischen Damen zum Nachtisch geknuspert, von den orientalischen Schönen aber während des ganzen Tages zwischen den roten Lippen und schwarzen Zähnen geführt wird. Man sagt freilich verleumderischer Weise, daß diese Konfitüren auch im Abendland außerhalb des Nachtisches eingehende Beachtung finden.
    Ich sprang vom Pferd, nun zum dritten Mal. Der Maulesel sah erst mich an, dann den Rappen und wendete sich hernach, ganz unbefangen und keiner Schuld bewußt, zur Seite, als habe er nicht das mindeste Verständnis dafür, daß Unterschlagung und darauffolgende Verwendung im eigenen Nutzen vom Strafrichter mit unnachsichtlicher Sühne zu belegen sei. Oder verließ er sich etwa bereits auf die bekannten mildernden Umstände? Das mußte aber mir egal sein, denn selbst die absoluteste Unkenntnis der Gesetze schützt vor Strafe nicht. Ich begann also, um mich eines diplomatischen Ausdrucks zu bedienen, der Konfitürenfrage etwas näher zu treten.
    Der Maulesel trug auf dem Rücken ein eigenartiges Ding, halb Pack- und halb Damensattel. Zu beiden Seiten desselben war je ein Korb befestigt gewesen, und der Inhalt dieser Körbe hatte in dem Semmel- und Zuckergebäck bestanden. Das Tier war aus irgendeiner Ursache scheu geworden und durchgegangen. Die Befestigung der Körbe hatte sich während des Rennens gelockert, und ein Teil des Inhaltes war verstreut worden. Der Maulesel war auf den nicht sehr bewundernswerten Gedanken gekommen, mitten durch das Gebüsch zu brechen, und bei dieser Gelegenheit mit dem nachschleifenden Zügel hängen geblieben.
    Er hing noch, ein Bild des ereilten Verbrechens. Ich war die zornige Erinnye, die rächende Eumenide; aber der Übeltäter kaute Zuckerwerk. Bildete er sich etwa auf das Nichtvorhandensein des Dolus etwas ein? Ich hatte alle Hoffnung, ihm denselben beizubringen.
    Die Körbe waren abgestreift worden und lagen am Boden, ganz in unmittelbarer Nähe von den Resten ihres einstigen Inhaltes. Ich zog dem sehr ehrenwerten Sir Aß mit der Reitpeitsche eins über das schlummernde Gewissen, so daß er ganz verblüfft zur Seite sprang und mich mit einem vorwurfsvoll fragenden Blick und einem windmühlenähnlichen Drehen seiner Ohren beglückte. Dann band ich ihn los und führte ihn zur Seite, um ihn dort noch fester anzufesseln.
    Jetzt war wenigstens das übriggebliebene Backwerk gerettet. Nun drängte sich mir natürlich die Frage auf, ob der Maulesel ganz allein oder in irgendeiner Begleitung

Weitere Kostenlose Bücher