1524 - Die Uhren von Wanderer
neue Sinnesgenüsse ausgetauscht, sondern die Gespräche drehten sich vornehmlich um Wissenschaft und Politik.
Allerdings wurden sie nicht im Demaron unverständlichen Fachjargon geführt, sondern jeder der Gäste schien sich zu bemühen, sich einer allgemein verständlichen Sprache zu dienen. Demaron hatte fast das Gefühl, als täten sie dies ihm zuliebe.
An diesem Abend lernte Demaron mehr als bei allen vorangegangenen Lehrgängen zuvor.
Als Demaron dem Blick von Ankitha begegnete, zwinkerte sie ihm zu. Sie kam zu ihm und sagte: „Alles zu seiner Zeit, mein lieber Barbar. Manchmal ist es vonnöten, das Leben in vollen Zügen auszukosten und sich der Dekadenz hinzugeben. Aber dann kommt wieder die Zeit der Besinnung. So wie jetzt."
Sie gesellte sich mit ihm zu einer Diskussionsgruppe, der auch Krandar und der Abgeordnete Cuemenez angehörten. Cuemenez sagte gerade: „Es ist müßig darüber zu streiten, wie die Entwicklung des Großen Imperiums verlaufen wäre, wenn das Attentat Orbanaschols auf seinen Bruder Gonozal Vil nicht geglückt wäre und sich Orbanaschol nicht zum Imperator hätte ausrufen lassen. Wir haben darüber unzählige Hochrechnungen angestellt, wie die Geschichte unter verschiedenen Voraussetzungen verlaufen wäre, und die Ergebnisse sind so grundverschieden voneinander, daß allen Spekulationen Tür und Tor offensteht. Vor allem die Langzeitanalysen zeigen, daß sich der Machtkampf von damals nicht negativ auf unsere Entwicklung ausgewirkt hat. Das liegt doch alles schon ... dreitausend ... Jahre zurück."
Demaron war sich nicht ganz sicher, ob Cuemenez wirklich die Zahl „dreitausend" genannt hatte, oder ob er sie im Geiste selbst eingesetzt hatte ... oder ob sie ihm einsuggeriert worden war ... „Da muß ich widersprechen", sagte Krandar. „In einem Punkt stimmen die Wahrscheinlichkeitsberechnungen ziemlich überein. Diese betreffen den Tod des Kristallprinzen Atlan im System von Larsafs Stern. Die Ergebnisse sind da eindeutig. Hätte der rechtmäßige Nachfolger von Gonozal Vil bei den Kämpfen gegen die Druuf auf Larsaf III nicht den Tod gefunden und hätte er seinen meuchlerischen Onkel vom Thron gestürzt, dann wäre unserem Volk eine große Durststrecke erspart geblieben, und wir hätten schon vor tausend Jahren den heutigen Stand der Entwicklung erreicht haben können."
„Der Machtkampf der Gonozals war doch nur eine unbedeutende Etappe in der Geschichte unseres Volkes und wird heute unnötig hochgespielt", sagte Cuemenez. „Ich weiß, daß der legendäre Kristallprinz Atlan für die Jugend immer noch ein Vorbild ist. Aber was hätte er anders machen können? Wir Arkoniden haben auch ohne ihn die Gefahr durch die Druuf gebannt, und wir haben einen grandiosen Sieg gegen die Methanatmer errungen, als sie diese Galaxis zu okkupieren versuchten. Das ist Geschichte, mein verehrter Krandar! Und es ist Tatsache, daß wir in der Gegenwart die Herren dieser Galaxis sind. Hunderttausend besiedelte Planeten sind die Fundamente unserer Macht. Das Große Imperium erlebt seine höchste Blüte, es herrscht Frieden mit den Kolonien - und der Zenit dieser Entwicklung ist noch nicht erreicht. Was hätte da der legendäre Kristallprinz Atlan Besseres erwirken können? Lassen wir ihn in den Heldenepen weiterleben, in der Realität hat er jedoch keinen Platz."
Nachdem Cuemenez geendet hatte, platzte Demaron heraus: „Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Gonozal VIII ist nicht tot. Er lebt ..."
Demaron verstummte erschrocken, als er sich bewußt wurde, was ihm da über die Lippen gekommen war. Aber zum Glück nahm niemand von seiner Behauptung Notiz beziehungsweise wurde sie anders ausgelegt. „Unsere scheinbare Größe ist in Wirklichkeit nur Schein", widersprach Krandar. „Der Anstrich von Prunk und Protz kann nicht verheimlichen, daß die Fundamente bröckeln. Das Große Imperium steht auf sehr tönernen Füßen, die wir unserer Überheblichkeit und Ignoranz zu verdanken haben. Wir neigen in zunehmendem Maß zur Dekadenz und sind auch noch stolz darauf."
„Wir können auf das Erreichte auch stolz sein", warfeiner der anderen Diskussionsteilnehmer ein, dessen Namen Demaron nicht erfahren hatte. „Wir können stolz in die Zukunft blicken und brauchen uns unserer Vergangenheit nicht zu schämen. Allein die Tatsache, daß wir hier, an diesem Ort, in diesem geschlossenen Universum, einen Querschnitt unserer Kultur und unserer Geschichte repräsentieren dürfen, ist der Beweis unserer
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