1528 - Im Schlund der Bestie
Spezialist.«
»Das sagt sich so leicht.«
»Ich bin es nicht.«
»Okay.« Ich erhob mich von meinem Stuhl. »Lassen wir alles mal beiseite, was passieren könnte. Wir müssen uns an die Fakten halten, und die haben einen Namen.«
»Stefanie Kirchner, meinst du?«
»So ist es.«
»Aber wieso?«
»Sie ist eine Zeugin.«
Harry zog die Augenbrauen zusammen. »Sicher, da hast du schon recht. Aber…«
»Rico Appelt war es auch.«
»Jetzt verstehe ich dich. Du gehst also davon aus, dass dieses Phantom keinen Zeugen am Leben lassen will.«
»Ganz so einfach ist das nicht. Es kann auch sein, dass es sie auf seine Seite ziehen will. Für sich, für sein Reich, für was auch immer. Es will sie und ihre Seelen besitzen. Es kann sein, dass es die Bestie stark macht. Eine Parallele existiert schon. Ich brauche dabei nur an den Spuk zu denken. Auch er sammelt Seelen. Bei ihm sind es die Seelen der vernichteten Dämonen, falls diese überhaupt etwas besitzen, was man als eine Seele bezeichnen kann. Aber ich schließe nichts mehr aus.«
»Dann hast du auch darüber nachgedacht, wer diese Unperson sein könnte und was hinter ihr steckt?«
»Das habe ich. Nur kann ich dir keine konkrete Antwort geben. Ich weiß nicht, in welch einer Dimension sich diese Gestalt aufhält. Aber ich schätze, dass sie gewisse Beziehungen zu jemandem hat, den man Teufel nennt oder wie auch immer.«
Harry winkte ab. »Alles Theorie. Die Praxis sieht anders aus, sage ich mal.«
»Ich weiß. Stefanie Kirchner.«
»Genau.« Harry räusperte sich. »Was machen wir mit ihr? Hast du einen Plan? Ich denke nicht, dass wir sie aus den Augen lassen dürfen. Unser Widersacher wird sie sich holen wollen.«
»Was unsere Chance sein könnte.«
»Du sagst es, John.«
»Okay, dann…«
Der Schrei drang aus dem Wohnzimmer. Ein schriller Alarmruf, abgegeben in höchster Not.
Wir jagten zur Tür, und anschließend flogen wir fast in das Zimmer hinein.
Stefanie war noch da, aber es gab auch eine zweite Person, die wie eine Drohung auf dem Balkon stand und in das Zimmer starrte…
***
Es war das Phantom.
Es zeigte sich mit all seiner kalten Scheußlichkeit und hatte sich auch nicht verändert. Sein Gesicht zeigte diese abweisende Leichenblässe, während die übrige Gestalt dunkel war. Nicht schwarz, sondern bläulich schimmernd. Mit gewaltigen Schwingen oder Flügeln an seinem Rücken.
Eine böse Erscheinung, vor deren Anblick ein Mensch einfach Angst haben musste.
Ich durchquerte das Wohnzimmer mit wenigen Schritten, riss die Balkontür auf und dachte nicht an meine eigene Sicherheit.
Ich wollte die Bestie stellen, doch genau das gelang mir nicht. Mit einer fast trägen Bewegung hob sie ihre Schwingen an, und ebenso träge schwang sie sich vom Balkon aus in die Luft.
Ich hatte das Nachsehen, aber ich verfolgte sie mit Blicken. Für einen gezielten Schuss war sie zu weit weg. So ließ ich sie in dem Bewusstsein ziehen, dass es nicht unsere letzte Begegnung gewesen war. Vielleicht hatte sie uns auch nur zeigen wollen, dass sie sich in der Nähe befand.
Nach einer gewissen Weile drehte ich mich wieder um und ging zurück ins Wohnzimmer, wo sich Harry und Stefanie aufhielten.
Harry hatte seinen Arm um die Schultern der jungen Polizistin gelegt, denn sie zitterte am gesamten Körper. Als ich in das Zimmer trat, hörte ich ihren letzten Satz, den sie wiederholte.
»Es wollte mich - es wollte mich…«
Ich schloss die Balkontür. Das dabei entstehende Geräusch ließ Steffi hochblicken. Sie schaute mich leicht verwundert an und flüsterte dabei: »Haben Sie das Monster vertrieben?«
»So ähnlich.«
»Aber es wollte doch mich, oder?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen. Es wird schon einen Grund für sein Erscheinen gehabt haben, aber darüber sollten wir jetzt nicht reden. Es ist wichtig, dass wir uns um Sie kümmern.«
Sie strich die dunklen Haare, von denen ihr einige Strähnen ins Gesicht gerutscht waren, wieder zurück und zog die Nase hoch.
»Was meinen Sie mit kümmern? Ich denke, dass das Leben für mich weitergeht, und dieser Druck wird bleiben, so lange dieses - dieses Wesen noch existiert. Es ist einfach schlimm. Mein Leben hat einen Knick bekommen. Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll…«
»Sie werden es schon schaffen, Stefanie, daran glaube ich fest. Sie packen es.«
»Und mein Kollege?«
Harry gab die Antwort. »Sie werden seinen Arm nicht retten können. Wahrscheinlich muss er abgenommen werden. Das wird ihm leider
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