1528 - Im Schlund der Bestie
Natürlich war es schon schlimm genug für sie, sich in einer derartigen Lage zu befinden, doch es gab bei ihr noch eine Steigerung.
Es ging darum, wer sie in diese Lage gebracht hatte, und das war kein Geringerer gewesen als ihr Kollege Rico Appelt. Sie hatte ihm vertraut.
Sie war mit ihm in seine Wohnung gegangen, sie hatten die gleichen grausamen Geschehnisse durchlitten.
Sie waren von einer grauenvollen Gestalt gejagt worden, hatten dies überstanden und hatten daran geglaubt, in Ricos Wohnung Ruhe und Sicherheit zu finden.
Das war nicht eingetreten. Die andere Seite hatte zugeschlagen, und zwar so, wie sie es nicht hatten erwarten können, denn Rico Appelt war voll und ganz in den Bannkreis des Bösen geraten.
Die Polizistin hielt die Augen zwar offen, aber ihre Umgebung nahm sie nur schemenhaft wahr. Sie bekam wohl mit, dass Rico sie in sein Wohnzimmer schleifte. Bei jedem zweiten Schritt, den er ging, stieß er ein heiseres Lachen aus, als würde er sich gerade über diese Beute besonders freuen.
Vor der Ledercouch hielt er für einen Moment an. Mit einem Fuß schob er den störenden Tisch zur Seite, um mehr Platz zu haben. Steffi, die sich noch immer nicht wehrte, wurde angehoben und auf die Couch geworfen. Sie blieb auf dem Rücken liegen, starrte nach vorn und sah ihren Peiniger wie einen Schatten zur Seite huschen. Was er vorhatte, bekam sie nicht mit.
Er verschwand aus dem Zimmer, und genau das war für sie eine Chance.
Dieser Typ war nicht mehr der Mann und Kollege, den sie kannte. Mit ihm hatte sie so gut zusammengearbeitet. Jetzt war er völlig von der Rolle. Etwas Fremdes hatte von ihm Besitz ergriffen, und dieses Fremde stammte nicht von dieser Welt.
Sie wusste nicht, was er mit ihr vorhatte. Etwas Gutes konnte es nicht sein, und so nahm sie sich vor, es allein zu versuchen. Sie wollte sich auch nicht auf die beiden Männer verlassen, die geschellt hatten, denn die mussten zunächst eine geschlossene Wohnungstür überwinden, was nicht leicht war.
Stefanie Kirchner richtete sich auf. Sie hatte Probleme. Der Schwindel in ihrem Kopf ließ das Zimmer vor ihren Augen wanken. Es begann sich zu drehen, und in diese Drehung hinein trat eine Gestalt.
Ihr Kollege kehrte zurück. Nach dem zweiten Hinschauen sah sie, dass er sich bewaffnet hatte. Er war in der Küche gewesen und hatte sich dort ein Messer geholt. Es war eines mit einer langen und schmalen Klinge.
Der Holzgriff verschwand in seiner Faust.
Und er lachte, als er auf sie zukam. Mit einem Schlag gegen die Brust schleuderte er Steffi zurück in die liegende Haltung.
Sie schlug mit dem Hinterkopf auf ein Kissen, was beinahe eine Wohltat war. Ganz im Gegensatz zu dem, was in den nächsten Sekunden geschah. Da ließ sich Rico neben sie fallen und drückte ihr das Messer gegen die Kehle.
Er hatte sich dabei etwas zu hastig bewegt. Stefanie spürte den zuckenden Schmerz an der Vorderseite ihres Halses und wusste, dass die Klingenspitze dort eine kleine Wunde hinterlassen hatte, aus der sicherlich etwas Blut quoll.
»Rico, bitte…«
»Ruhig, ruhig«, flüsterte er. Seine Stimme klang gehetzt und in seiner Kehle hatte es geblubbert.
»Was soll das alles?«
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, hielt sich aber zurück, denn beide hörten plötzlich die Schüsse und wussten, dass sich die Lage in den nächsten Sekunden dramatisch verändern würde…
***
Stille. Nein, Totenstille. So musste man die Umgebung beschreiben, in der Harry Stahl und ich standen.
Wir hatten das Schloss der Wohnungstür zerschossen und waren in den dahinter liegenden Raum eingedrungen, der sich als Diele entpuppte, von der aus verschiedene Türen abzweigten, wobei eine weit offen stand und aus deren Viereck die Helligkeit in die Diele fiel.
Beide hatten wir unsere Waffen gezogen, aber wir trauten uns nicht, etwas zu sagen, und hielten uns auch mit einer schnellen Aktion zurück.
Nur nichts überstürzen. Aufpassen, die Sinne gespannt halten, denn wir hatten Steffi Kirchners Schrei nicht vergessen.
Sie war es gewesen, daran gab es keinen Zweifel. Wir hatten die Stimme trotz der Verzerrung durch die Sprechanlage erkannt, und dabei hatten wir gar nicht sie besuchen wollen, sondern ihren Kollegen Rico Appelt.
Und wir hatten richtig gedacht. Unser Gefühl, dass die beiden jungen Polizisten in Gefahr schwebten, hatte sich bestätigt, wenn auch auf eine etwas ungewöhnliche Art und Weise.
Es roch nach Gewalt, und so konnten wir davon ausgehen, dass auch Rico
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