1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
Camilla? Ich will es endlich wissen, verflucht.«
»Das sollst du auch.«
»Und?«
»Es geschah in einer Nacht. In der berühmten Walpurgisnacht. Da hat er mich besucht. Ich habe ihn nicht gesehen. Er war ein mächtiger Schatten. Aber ich habe ihn auf meinem nackten Körper gespürt, und es ist eine Wohltat gewesen wie er in mich eindrang. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Ich war überglücklich und konnte kaum erwarten zu sehen, was ich gebären würde.«
»Das war ich?«
»Ja, das bist du gewesen, und du gehörst zur Hälfte ihm. Versteh das endlich.«
»Ich hasse dich dafür, und ich hasse mich. Ich will ihm nicht gehören, ich will wieder zurück in mein normales Leben. In das Internat, zu den Schwestern, aber nicht zu Schwester Agnes.«
»Sie war eine gute Freundin, und sie hat sich davon überzeugen lassen, dass die Hölle doch stärker ist als das, woran sie geglaubt hat. So sehen die Dinge aus, und jetzt bist du reif für ihn. Bis zu deinem Ende wird er dich nicht loslassen. Wir schmieden einen Bund. Du, ich und der Teufel.«
Die Worte waren so intensiv gesprochen worden, dass Elisa die Chance genommen wurde, etwas zu erwidern. Sie hatte viel gehört, mehr als sie verkraften konnte. Ihr war durch die Mutter eine Welt eröffnet worden, die einfach zu fremd für sie war und zugleich abstoßend. Auch fasste sie noch immer nicht, dass sich eine Nonne dafür hergegeben hatte. Welch eine Macht musste die andere Seite besitzen, dass sie es geschafft hatte, eine Person aus ihren Grundsätzen heraus zu reißen?
Camilla näherte sich ihrer Tochter. Sie blieb stehen, als sie mit ihren nackten Füßen die Zehen der Schülerin berührte. Die wusste nicht, welches Spiel nun getrieben werden sollte und wunderte sich, als Camilla sich hinsetzte, ohne dass sich die Berührung löste.
Lange blieb sie nicht in dieser Haltung. Um ihren Körper herum tanzte noch immer der dünne Vorhang aus Flammen. Sie lehnte sich zurück, bis sie die gleiche Haltung eingenommen hatte wie ihre Tochter und starr auf dem Rücken lag.
Sie tat nichts. Nur das Feuer loderte über ihren Körper hinweg wie flackernde und zuckende, durchsichtige Wellen.
Auch Elisa rührte sich nicht. Eigentlich hätte sie das Feuer spüren müssen, denn die Verbindung zwischen ihr und der Mutter war nicht gerissen.
Es tat sich nichts, und so etwas wie ein Gefühl der Neugierde stieg in ihr hoch. Sie wollte sehen, was passierte, denn die eingetretene Stille kam ihr noch schlimmer vor.
Das Gift floss weiterhin in ihren Adern. Und sie musste sich wahnsinnig anstrengen, um den Kopf anzuheben. Das schaffte sie durch ihre Willenskraft, und wenig später sah sie etwas, was ihr fast die Sinne raubte.
Die Flammen der Hölle tanzten jetzt nicht nur über den Körper ihrer Mutter hinweg, sie waren dabei, auf sie überzugreifen…
***
Ein Schock, wie ihn Elisa nie zuvor gekannt hatte, hielt sie umfasst. Es war so gut wie unmöglich, es war nicht zu begreifen; aber hätte sie etwas anderes erwarten können?
Nein, denn Camilla hatte oft genug von einer Trauung oder auch Hochzeit gesprochen, die sie mit dem Teufel eingehen sollte. Und wahrscheinlich sollte ihr sogar ein Kind gemacht werden.
Die Schülerin drehte durch. Das nur innerlich, denn sie war einfach nicht in der Lage, ihre Not nach draußen zu schreien. Aus weit geöffneten Augen schaute sie zu, wie das Feuer sich mit ihren Füßen nicht zufrieden gab, denn es kroch an ihrem Körper in die Höhe und hatte bereits den Bauchnabel erreicht.
Sie konnte nichts tun, aber sie versuchte es und begann mit einem Anziehen der Beine. Den Kopf hatte sie anheben können, warum denn nicht die Beine?
Es ging nicht.
Aber nicht, weil sie noch gelähmt waren, hier spielte etwas anderes eine Rolle. Sie glaubte daran, dass sich ein starkes Gewicht an ihre Füße gehängt hatte, das einen Gegendruck ausübte.
Wie war das möglich?
Elisa war verwirrt. Ein Durcheinander schwirrte durch ihren Kopf. Etwas passierte mit ihr, das sie sich nicht erklären konnte, und es hatte für sie nur indirekt mit dem Teufel zu tun. Da gab es etwas anderes, was mit ihrem Körper geschah, den sie in der unteren Hälfte nicht mehr spürte.
Er war von Flammen umschlungen, das sah sie wohl durch das Flackern, doch dies war nicht der Grund.
In ihrer Not wollte sie beten. Nein, das war nicht möglich. Es gelang ihr nicht, sich zu konzentrieren, denn sie hatte das Gefühl, dass ihr Kopf durch andere, fremde Gedanken gefüllt war.
Wie ging es
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