153 - Angelina, die Teufelin
eine Players aus der fast leeren Packung, schob sie zwischen die Lippen und setzte sie in Brand. Er rauchte nervös und hastig.
„Freundchen", sagte er leise. „Wenn dem Mädchen deinetwegen etwas zustößt, finde ich dich nach Feierabend. Und du wirst dir wünschen, Flügel an deinem Wagen gehabt zu haben."
„Keine Drohungen, bitte", knurrte der Fahrer.
„Das", sagte Dorian kalt, „ist keine Drohung, sondern eine Feststellung."
Sie brauchten fast eine halbe Stunde, um an ihr Ziel zu kommen. Dorian deutete auf die im Fußraum liegenden Lire-Scheine. Sie deckten gerade knapp die Fahrt.
„Da liegt dein Geld, du Ratte", murmelte er und stieg aus.
Der Fahrer befand sich leider im Recht. Niemand konnte ihn zwingen, sich über die Straßenverkehrsvorschriften hinwegzusetzen. Wenn er es freiwillig tat, wie sonst von allein üblich, war das seine eigene Sache. Dennoch zürnte Dorian - auch zu Recht…
„Hoffentlich lebt das Mädchen noch", sagte Coco leise. „Wir haben zuviel Zeit verloren…"
Sie hatten durch die Schleichfahrt genau die Zeit verloren, die Annica bei ihren Besorgungen aufgewandt hatte. Als sie in den jetzt unterirdischen Gang eindrangen, hörten sie das schauerliche Heulen einer Bestie und den schrillen Schrei einer Frau. Der Schrei riß so schnell ab, wie er aufgeklungen war.
Hinter der nächsten Gangkreuzung sahen sie Angelina.
Sie sah furchtbar aus in ihrer flügelschlagenden Erscheinung, mit zerfetzter Kleidung behängt. Sie war dabei, sich die Reste der durchnäßten Bluse vom Leib zu reißen. Und dabei zeigte sie panische Angst vor der Nässe.
Dorian schleuderte eine gnostische Gemme. Im gleichen Moment feuerte Flindt die Pyrophoritpistole ab. Angelina warf sich zur Seite. Sowohl die Gemme als auch die Feuerkugel verfehlten sie. Einige hundert Meter weiter entstand ein Feuerball. Angelina kreischte. Coco versuchte wiederholt, sich in den schnelleren Zeitablauf zu versetzen, aber es gelang ihr nicht.
Angelina schnellte sich in die Höhe.
Auch ohne die Zuhilfenahme der Magie reichte die Kraft ihrer Schwingen aus, sie in einen der Lichtschächte zu katapultieren. Sie verschwand mit eingeklappten Flügeln darin. Dorian lief los. Er sah gerade noch, wie sie oben über die Kante kletterte. Er versuchte ebenfalls hochzukommen, aber er fand keinen Halt.
„Zurück, die Treppe!" schrie er den anderen zu. Im Hintergrund glühte das Feuergeschoß aus.
Flindt kauerte sich neben Annica nieder. Er folgte Dorian und Coco nicht. Stumm sah er die Tote einige Minuten lang an. Sie war böse zugerichtet. Die Wirkung des Weihwassers war von der aufklaffenden Bluse aufgefangen worden, hatte die Dämonin nicht einmal erreicht und das Mädchen daher auch nicht retten können.
„Kleine Närrin", sagte Flindt leise. Eine nie an ihm festgestellte Zärtlichkeit lag in seiner Stimme, und vielleicht zeigte er sie jetzt nur deshalb, weil er unbeobachtet war. Sanft schloß er die in panischer Angst aufgerissenen Augen der Toten. Dann schüttelte er sich, erhob sich und rannte erst langsam, dann schneller hinter den Gefährten her, die längst die Oberfläche erreicht hatten.
Der magielose Zustand fand sein Ende in genau dem Augenblick, in dem Angelina die Oberfläche erreichte. Blitzschnell erkannte sie ihre Chance. Sie ließ ihre dämonischen Attribute schrumpfen und sah Sekunden später wie ein ganz normales Mädchen aus - nur eben mit schockroten Haaren, in zerrissenen Jeans und mit bloßem Oberkörper. Damit würde sie im sittenstrengen Rom genug Aufsehen erregen, war ihr klar. Sie sah Dorian Hunter aus dem Treppenschacht auftauchen. Sie konnte ihn mit ihrer Magie nicht erfassen. Ihre Spezialität war die Zeit, nicht unbedingt der magische Kampf. Wie die meisten Dämonen benötigte sie dazu Hilfsmittel, die ihr hier nicht zur Verfügung standen, oder Zeit für entsprechende Vorbereitungen. Auch die fehlte ihr. So ergriff sie die Flucht. Ihre Falle war unwirksam geworden. Wäre die Magie zwei, drei Minuten früher zurückgekehrt, wäre die magische Falle zugeschnappt. Jetzt aber waren Hunter und seine Gefährten längst wieder aus dem Fallenbereich heraus. Angelinas Plan war fehlgeschlagen.
Die anderen stürmten ihr nach. Coco versuchte in den schnellen Zeitablauf zu gehen. Aber irgendwie schaffte sie es auch jetzt nicht. Die Testversuche unten im Gang hatten sie möglicherweise geschwächt, vielleicht fehlte ihr auch die Konzentration. Mit einem gezielten Weitwurf einer Gemme oder der
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