1553 - Der Feind aus dem Dunkeln
rötlichen, ins Violette gehenden Masse.
Der geheimnisvolle Gegenstand hatte einen besonderen Namen. Er war der Würfel des Heils und er zeigte, wenn er aktiviert wurde, seinem Besitzer, was ihn in der nahen Zukunft erwartete.
Es war nicht der Blick in die Zukunft, man konnte keine Gewinnchancen bei irgendwelchen Glücksspielen erfahren, nein, dieser Blick war eben anders. Das Gerät zeigte Gefahren an, die auf den Besitzer zukamen, und darauf setzte Godwin seine Hoffnung.
Sophie meldete sich noch mal.
»Glaubst du, dass er dir etwas zeigen wird?«
»Ich gehe davon aus, wenn alles stimmt, was du mir gesagt hast.«
»Ich hoffe, dass du ihn siehst.« Godwin lächelte. Doch der Ausdruck verschwand schnell wieder von seinen Lippen, denn jetzt kam es darauf an, dass er sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ.
Wenn eine Gefahr im Anmarsch war, würde sich ihm der Würfel öffnen.
Er behielt die Handflächen an den beiden Seiten und senkte den Kopf. Ab jetzt gab es nur einen Blick und auch nur ein Ziel, auf das er sich konzentrieren musste.
Der Templer schaute gegen die Oberfläche. Was ihm nicht genug war, denn er wollte das Innere des Würfels sehen, denn dort befand sich eingeschlossen sein Geheimnis.
Sophie Blanc kannte das Spiel. Sie wusste, dass ihr Mann höchste Konzentration brauchte. Deshalb wollte sie ihn nicht stören. Sie blieb ruhig in ihrem Sessel sitzen, auch wenn ihr dies bestimmt nicht leicht fiel.
Godwin vertraute dem Würfel. Er wusste, dass es noch ein Gegenstück dazu gab. Es war der Würfel des Unheils. Der allerdings befand sich nicht in seinem Besitz, sondern in dem eines mächtigen Dämons mit dem Namen Spuk. Der hütete sich allerdings, den Würfel des Unheils einzusetzen, denn wenn er ihn aktivierte und ihn damit praktisch zu einer Büchse der Pandora machte, würde der Würfel des Heils ein Gegengewicht bilden und den Schrecken zurückdrängen.
So war es zu einem Patt gekommen, und das hatte bisher Bestand, wobei Godwin hoffte, dass dieser Zustand noch sehr lange anhalten würde.
Er konzentrierte sich.
Zwar fiel er nicht in ein Koma, aber für Sophie, die Zuschauerin, sah es beinahe so aus. Sie hatte den Eindruck, als würde ihr Mann zusammensacken und über den Schreibtisch fallen, was jedoch nicht geschah. Der Templer blieb genau in der Haltung, in der er verweilen musste, um das Optimale aus dem Würfel hervorzuholen.
Er schaute hinein.
Es war kein Starren, auch wenn es vielleicht den Anschein hatte. Es war ein Schauen, und er lockerte seinen Griff um keinen Deut. Er wollte durch den Druck die Kräfte des Würfels aktivieren, damit er ihm das Bild zeigte, das er sich wünschte.
Eine Minute verging.
Godwin rührte sich nicht.
Die zweite Minute brach an.
Noch immer durchlief die Gestalt des Mannes kein Zittern, und Sophie blieb die stumme Beobachterin in der Dämmerung des Zimmers.
Nichts störte die Konzentration des Templerführers.
Gab es einen Erfolg?
Auch zu Beginn der dritten Minute wurde ihm der Wunsch nicht erfüllt.
Dann schrak er zusammen, denn innerhalb des Würfels hatte sich etwas bewegt. Es hing nur mit der Farbe zusammen, die nicht mehr so starr war, und Sekunden später sah er, dass der Würfel ihn nicht im Stich ließ.
Er zeigte sein Geheimnis, und Godwin de Salier konzentrierte sich noch stärker, als er die ersten feinen und hellen Schlieren entdeckte, die ihm eine Botschaft senden würden…
***
Der Würfel veränderte seine Form nicht. Die Bewegungen bezogen sich nur auf den Inhalt, der zwar nicht transparent wurde, aber auf eine bestimmte Weise seine Botschaft übermittelte.
Das geschah durch die hellen Schlieren, die sich zuckend hin und her bewegten und dafür sorgten, dass die normale Welt zwar um den Templer herum bestehen blieb, er aber trotzdem das Gefühl hatte, weggetragen zu werden, und zwar in den Würfel hinein.
Godwin war nicht mehr er selbst. Es gab nur noch den Würfel für ihn. Er sah die Schlieren darin, wie sie sich zuckend bewegten und ihm durch diese Bewegungen etwas mitteilten.
Bilder kristallisierten sich hervor. Innerhalb der Würfelmasse waren sie zu sehen.
Sie wirkten jedes Mal wie Momentaufnahmen, die sofort wieder verschwanden.
Aber er passte auf.
Er war hoch konzentriert. Er schaute genau hin, denn er wollte herausfinden, was sich in der Masse tat. Bisher waren die Bilder nur verschwommen gewesen.
De Salier spürte sich selbst nicht mehr. Er kam sich vor wie jemand, dessen Körper sich in Auflösung befand.
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