1553 - Der Feind aus dem Dunkeln
herausfinden.
Das Schlafzimmer befand sich an der Rückseite des Klosters. Wenn sie nach draußen schaute, sah sie in den Klostergarten. Ein Gelände, das von allen Bewohnern geliebt wurde, weil es ein Ort der Erholung war.
Im Garten befand sich auch eine kleine Kapelle, eine Stätte der Ruhe und des Gebets. Zugleich enthielt sie das Grab des ehemaligen Templerführers Abbé Bloch.
Der erste Blick in den Garten brachte ihr nicht viel. Sie sah die winterlichen Gewächse, die Leere.
Sie konnte die nächtliche Kälte beinahe fühlen.
Da war nichts.
Oder doch?
So ganz überzeugt war sie nicht. Zudem war ihr Blickwinkel alles andere als günstig. Das würde sich erst ändern, wenn sie das Fenster geöffnet hatte und sich hinauslehnte.
Um sich nicht zu erkälten, streifte sie einen Bademantel über, der hinter der Tür an einem Haken hing. Sie fühlte sich immer noch nicht besser, denn sie wurde den fremden, stechenden Geruch einfach nicht los. Er hatte sich bei ihr festgesetzt, und wenn er von draußen kam, dann würde er auch nicht aus dem Zimmer und damit aus ihrer Nase verschwinden, wenn sie die Nachtluft herein ließ.
Sophie zog das Fenster auf.
Der erste Schwall kalter Luft prallte gegen sie. Die Temperaturen lagen knapp unter dem Gefrierpunkt. Sofort bildete sich eine Gänsehaut auf ihrem Gesicht.
Das war normal. Es hatte nichts mit dem Geruch zu tun, von dem sie offenbar geweckt worden war.
Sie schaute weiterhin in den Garten. Es war nichts Außergewöhnliches zu sehen. Er lag in der tiefen, nächtlichen Stille, und das bleiche Licht des Mondes lag auf den Rasenflächen, Hecken, Wegen und Bänken.
Und der stechende Geruch?
Er war immer noch da, obwohl sie ein paar Mal die kalte Luft tief eingeatmet hatte.
In der Dunkelheit und der nächtlichen Stille sah der Garten aus wie immer.
Hatte es überhaupt Sinn, weiterhin vor dem offenen Fenster zu stehen und in den Garten zu schauen? Eigentlich nicht. Und doch gab es eine Kraft, die sie hier festhielt. Sie war da, sie verwand auch nicht. Sie war zu vergleichen mit einer inneren Stimme oder Botschaft, und Sophie hatte es gelernt, auf diese Stimme zu hören.
Also wartete sie. Den Kragen des Bademantels hatte sie hochgeschlagen.
Plötzlich passierte es.
Eine Ankündigung hatte es nicht gegeben. Es war einfach nur da. Und es war für Sophie Blanc nicht zu identifizieren.
Ein Schatten. Etwas ohne Kontur, aber in der ungewöhnlichen Dunkelheit gut zu erkennen.
Eine Gestalt?
Sophie vergaß die Kälte, die ins Zimmer strömte. Sie hörte sich keuchen. Sie schluckte, und plötzlich hatte sie das Gefühl, diesen stechenden Geruch wieder stärker in der Nase zu haben.
Es hatte sich etwas verändert, denn es gab diese schattenhafte Kontur.
Der Schatten befand sich nicht direkt vor ihr, sondern im Garten, nicht weit von der Kapelle entfernt, und er hob sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr vom Hintergrund ab.
Jetzt sah sie ihn deutlicher.
Es war eine Gestalt. Ob ein Mensch, das war nicht so genau zu erkennen, aber es war keine Täuschung oder Einbildung.
Wieder beschleunigte sich ihr Herzschlag.
Was sich dort im Garten zeigte, das konnte einem schon Angst einjagen. Eine riesenhafte Gestalt – ein Feind aus dem Dunkel.
Etwas Grauenhaftes, das auf der Erde und vor allen Dingen in dieser Umgebung nichts zu suchen hatte.
»Ein Monster«, flüsterte sie, »ein Monster…«
***
Sophie Blanc war keine besonders ängstliche Frau. Zudem war sie etwas Besonderes, denn in ihr war die geheimnisvolle und von vielen Menschen verehrte Maria Magdelena wiedergeboren worden. Und sie hatte einen Mann geheiratet, der bereits zu Zeiten der Kreuzzüge gelebt hatte und durch einen magischen Zauber in die Gegenwart geholt worden war, wo er nach einiger Zeit die Führung der Templer übernommen hatte.
Sie wusste auch, dass die Vergangenheit für Godwin immer gegenwärtig war. Nicht nur als eine Erinnerung, nein, sie griff immer wieder in sein und damit auch ihr Leben ein.
Auch jetzt?
Was sie da im Garten sah, das bildete sie sich nicht ein. Das war ein Geschöpf, von dem sie nicht wusste, woher es gekommen war. Aber es war da, und das sah sie als schlimm an.
Es blieb noch dort stehen, wo es erschienen war. Es bewegte sich nicht. Es traf keine Anstalten auf das Kloster zuzugehen.
Sophies Augen gewöhnten sich allmählich an das schummrige Licht im Garten. Sie sah diesen unheimlichen Besucher jetzt deutlicher.
Ja, man konnte von einer menschlichen Gestalt ausgehen. Aber
Weitere Kostenlose Bücher