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156 - Auf dem roten Planeten

156 - Auf dem roten Planeten

Titel: 156 - Auf dem roten Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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er sich schlicht und praktisch, in aller Regel mit einem gelben Overall oder einem gelben, taschenreichen Ganzkörperanzug. In gewissen Kreisen der Marsgesellschaft kannte und schätzte man ihn als Verfasser und Zeichner von Horrorgeschichten, die auf der Erde spielten.
    »… auch die Ohren sollen ziemlich lang und schmal gewesen sein. Zudem habe der Waldmann eine ›magische‹ Ausstrahlung gehabt, so formulierte es der Zeuge, eine eindrücklichere Ausstrahlung jedenfalls als seine Begleiter…«
    »Ein Baumsprecher!«, rief Peer Rodrich Angelis.
    »Und nicht nur irgendeiner.« Tief in ihren Sessel versunken und die Fäuste auf der Armlehne geballt, starrte Cansu Alison Tsuyoshi in den Holoschirm, der im Innenkreis des Tafelrings flimmerte. »Windtänzer! Keinen anderen als ihn haben die Zeugen da beschrieben…«
    Die anderen Ratsmitglieder blickten einander verwundert an. Die Präsidentin merkte es nicht. Tief in Gedanken versunken ging sie die Einzelheiten der Berichte aus dem Sicherheitsmagistrat durch. Ein schwerwiegender Verdacht beschlich sie. Erst als im Holofeld das ENT- Symbol aufleuchtete und die Nachmittagsnachrichten ankündigte, tauchte sie aus ihren Grübeleien auf.
    Ein gut aussehender Nachrichtensprecher verlas einmal mehr die Schlagzeile des Tages: »Mit Hilfe von Unbekannten gelang dem Erdmann Maddrax die Flucht aus dem Präsidialamt und vermutlich auch aus Elysium.« So lautete die vom Rat ausgegebene Sprachregelung, und so hörte man das seit der vergangenen Nacht zu jeder vollen Stunde. Was dann folgte, war neu: »ENT sprach mit einem Augenzeugen…« Cansu Alison horchte auf. Geflüster und Getuschel verstummten, alle Augen im Kabinettssaal richteten sich auf das Empfangsfeld.
    Darin flammte das Konterfei eines Mannes auf. »Diese Wurzelfresser haben ihre Finger im Spiel, da halte ich jede Wette…« Er trug Zivilkleidung, wirkte ziemlich erregt und fuchtelte während des Sprechens ständig mit den Händen. »Es waren zwölf oder dreizehn. Am späten Vormittag buchten sie einen Stadtrundflug, und dann noch einen und noch einen. Wir dachten schon, die gehen nie wieder von Bord…«
    Im Hintergrund sah man Gebäude des Raumhafens und zwei Luftschiffe am Boden, am unteren Feldrand wurde der Name des Mannes eingeblendet: Loretto Kang, Chefsteward der Flower of Elysium.
    »… sie bestellten einen Früchtekorb nach dem anderen, futterten mir die Vorratstruhe leer. Ein Mann und eine Frau glichen sich, wie nur Zwillinge sich gleichen können. Beide hatten lange grüne Locken und die Frau hieß ›Rosen‹. Das weiß ich noch genau, weil die anderen sie ständig riefen. Am verrücktesten aber war ihr Vogel, den vergess ich meinen Lebtag nicht…«
    Der Steward berichtete von einem bunten Vogel, den die Baum-Separatisten in einem Käfig mit sich trugen, und von der hypnotischen Wirkung, unter die Fluggäste und Besatzung plötzlich gerieten, als der Vogel zu singen begann.
    »Das geschah, kurz bevor wir zum dritten Mal am Regierungsturm andockten. Wie berauscht waren wir auf einmal, ich kann es kaum beschreiben…«
    Der Reporter von ENT wollte wissen, ob auch die Separatisten von diesem Trancezustand befallen wurden.
    »Keine Ahnung, glaube nicht. Jedenfalls legten wir an, die Luke öffnete sich, und noch mehr Wurzelfresser kamen an Bord, ein Dutzend, würd ich sagen. Und mitten unter ihnen dieser blonde Barbar! Er war mit einem Neuroblocker bewaffnet und stürmte sofort das Cockpit…«
    Der Rest der Nachrichten brachte keine weiteren Neuigkeiten ans Licht. Die Schilderung des Stewards war eindrücklich genug. Die Räte an der Tafelrunde begannen aufgeregt miteinander zu tuscheln.
    Cansu Alison stützte den Kopf in die Fäuste. Er fühlte sich unangenehm schwer an. Wie Mosaiksteinchen zu einem Bild setzten sich darin die Einzelheiten der Berichte nach und nach zu einem sinnvollen Ganzen zusammen: Die Straßenhändler, die von Bienen umschwirrte Tänzerin, der Vogelschwarm und die Wald-Separatisten im Luftschiff – liefen nicht alle Fäden bei diesem Windtänzer zusammen…?
    »Ich weiß nicht, ob es klug ist, solche Interviews unbearbeitet auszustrahlen«, sagte Fedor Lux, einer von drei unabhängigen Beratern an der Kabinettstafel. Mit hochgezogenen Brauen und vorwurfsvoller Miene musterte er abwechselnd den Berater der Präsidentin und die Ratsdame Ephy Caleen Angelis. »Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Waldvolk und uns sind labil genug. Solche Art der Berichterstattung könnte leicht

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