1569 - Carlottas Todesangst
schaute mich wieder mit ihren harten Blicken an.
»Wenn es um eine gute Sache geht, ist alles vertretbar«, erklärte sie.
Dann richtete sie ihren Blick auf die Tierärztin. »Ich bin auch jetzt noch davon überzeugt, dass Sie ein Geheimnis verbergen, Dr. Wells. Sie wollen es nur nicht sagen oder zugeben.«
»Hören Sie auf damit. Ich bin da, um den Lebewesen zu helfen und nicht, um welches zu klonen oder Mutationen herzustellen. Menschen, die so denken, widern mich an.«
Das dachte auch ich, und ich sprach noch mal davon, dass ich sie festnehmen musste.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Keiner meiner Leute wird Sie daran hindern. Allerdings sage ich Ihnen gleich, dass sie nicht viel Freude an mir haben werden. Ich glaube, dass es einige Menschen in diesem Land gibt, die mich nicht so gern eingesperrt sehen.«
Sie lachte, drehte sich um und verließ das Zimmer.
»Komm«, sagte ich zu Maxine und streckte ihr meinen Arm entgegen.
Sie konnte sich nur wundern.
»Verstehst du das?«, fragte sie.
»Ja und nein«, erwiderte ich. »Es gibt immer wieder Menschen, die man als Ausnahmen bezeichnen kann. Das ist hier ebenfalls so. Nur ist diese Ausnahme leider negativ. Man kann sogar den Eindruck haben, dass sie kein Mensch ist.«
»Warten wir es ab.«
Wir gingen hinter Irina Smith her, und ich dachte daran, dass ich einen derartigen Fall auch noch nicht erlebt hatte.
Sie hatte sich praktisch widerstandslos festnehmen lassen. Ich musste nur den Kollegen Bescheid geben, Suko und die anderen fand ich noch an der gleichen Stelle vor. Sein Gesicht zeigte einen erleichterten Ausdruck, als er uns sah.
»Alles klar?«
Ich nickte. »Wir können fahren.«
Bruce beschwerte sich darüber, dass er noch immer Handschellen trug.
Ich nahm sie ihm ab, während die Smith ihren Leuten erklärte, dass sie sich wieder melden würde.
»Es wird nicht lange dauern. Ihr werdet auch ohne mich zurechtkommen.«
Sie akzeptierten es. Diese Frau musste ihre Leute fest im Griff haben.
Neben dem Van wartete sie, um einsteigen zu können.
Suko fuhr.
Ich setzte mich zu Irina in den Fond. Handschellen brauchte ich ihr nicht anzulegen, sie wusste auch so, wann sie verloren hatte.
Dieser Fatalismus wunderte mich schon.
»Was werden denn Ihre Auftraggeber sagen, wenn sie von Ihrem Misserfolg erfahren?«
»Sie akzeptieren keine Fehler.«
»Oh, das ist nicht gut.«
»Stimmt.« Sie grinste mich an. »Man kann schon jetzt sagen, dass ich so gut wie tot bin.«
»Das will ich nicht hoffen.«
Sehr ernst schaute sie mich an.
»Doch, Sinclair, doch«, flüsterte sie mit einem bestimmten Unterton in der Stimme, legte dann einen Finger auf ihre Lippen, und ich hielt tatsächlich den Mund.
Sekunden später wusste ich, warum sie mit dieser Geste reagiert hatte.
Das Knacken oder Knirschen in ihrem Mund war nicht zu überhören, aber auch das Lachen nicht, und dann sah ich den Schaum auf ihren Lippen, in dem kleine Glassplitter funkelten.
Am deutlichsten allerdings war der Geruch, der nach Bittermandeln schmeckte.
Zyankali!
Die alte, aber immer noch sicherste Methode.
Irina Smith starb vor meinen Augen.
Wahnsinnige Krämpfe schüttelten sie. Auf der Sitzbank schleuderte sie ihren Körper von einer Seite zur anderen.
Sie schrie, erbrach sich und blieb dann zuckend liegen. Erst nach einer Weile hörten die Zuckungen auf und sie bewegte sich nicht mehr.
Suko hatte längst angehalten. Auch er konnte nichts mehr tun, ebenso wenig wie Maxine Wells.
»Exitus«, sagte sie.
Ich nickte.
Suko öffnete ein Fenster, um frische Luft einzulassen, damit der Bittermandelgeruch vertrieben wurde.
»Sie hat es nicht anders gewollt«, fasste die Tierärztin zusammen. »Es war ihr Weg, und sie hat schließlich gewusst, was sie erwartet hätte.«
»Was denn?«, fragte Suko.
»Ihre Auftraggeber machen mit Versagern kurzen Prozess. Verlieren bedeutet in ihren Kreisen, endgültig verloren zu haben. Das müssen wir akzeptieren.«
»Genau«, sagte eine helle Stimme außerhalb des Wagens. Dort stand plötzlich Carlotta, und wir sahen ihr an, wie froh sie war, überlebt zu haben.
Ihr hatte die Jagd gegolten. Nach all den Jahren, in denen sie in Ruhe bei Maxine hatte aufwachsen können, waren nun wieder Gerüchte laut geworden, dass es in dieser Genfabrik etwas Einmaliges gegeben haben musste. Also war noch längst nicht alles beendet.
Ich stellte mir die Frage, ob das Vogelmädchen nach wie vor bei Maxine sicher war.
Keiner konnte es sagen.
»Soll ich
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