157 - Das Erbe der Alten
gegen Cansu Alison Tsuyoshi. Vielleicht konnte man sich das ab einem gewissen Alter erlauben.
»Also gut. Hören Sie zu, Felsspalter: Der Erdmann sperrte sich mit der Pilotin im Cockpit ein, so die Aussage der Frau, und zwang sie unter Androhung von Gewalt zum Start. Unterdessen kamen weitere Angehörige Ihrer Sippe an Bord, darunter der Baumsprecher Windtänzer und seine Tochter Morgenblüte. Zwei Männer, so die Zeugenaussagen, hätten die Dame Chandra Tsuyoshi an Bord getragen. Diese sei vom Schuss eines Neuronenblockers getroffen und folglich außerstande gewesen, sich aus eigener Kraft zu bewegen. Die Flower of Elysium startete und flog zum Raumhafen. Dort, so die Zeugen, hätten Sie und Ihre… äh… Ihre Angehörigen das Luftschiff in Begleitung des Erdmannes Maddrax und der bewegungsunfähigen Dame Chandra Tsuyoshi verlassen.«
Neronus Ginkgoson deaktivierte das D-Feld zu seiner Rechten. »So weit die Zeugenaussagen.« Er sah dem Waldmann ins Gesicht, der es nicht einmal zu bemerken schien.
»Nehmen Sie bitte Stellung dazu, Felsspalter.«
Der Mann reagierte nicht. Stumm fixierte er Cansu Alison Tsuyoshi. Die Präsidentin war schon die ganze Zeit unruhig auf der Couch hin und her gerutscht. Jetzt sprang sie auf und rauschte zum Sessel des Magisters. »Das haben wir doch alles schon zweimal durchgekaut!« Drei Schritte vor dem Gefangenen blieb sie links von Ginkgoson stehen. »Meine Geduld ist am Ende! Ich will wissen, warum ihr den Erdmann entführt habt! Ich will wissen, welche Rolle Maya Joy Tsuyoshi bei dieser Entführung gespielt hat! Und ich will wissen, ob Chandra Tsuyoshi ebenfalls an diesem ungeheuerlichen Komplott beteiligt gewesen ist! Ich gebe dir zwanzig Sekunden, Bursche!«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und begann mit der Schuhspitze auf den Boden zu klopfen. Dabei hielt sie dem Blick des Waldmannes stand; und er hielt ihrem stand. Die unheimliche Ausstrahlung des Mannes verursachte dem Magister Beklemmung. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer.
Er fragte sich, ob die Präsidentin denn nicht von ähnlichen Empfindungen belästigt wurde. Anzumerken war ihr jedenfalls nichts.
»Du redest also nicht?« Die zwanzig Sekunden waren vorüber. »Wie du willst.« Sie wandte sich an Ginkgoson. »Drei Tage Nahrungsentzug, Dauerlicht, Dauerbeschallung mit Triebwerkslärm.« Und wieder an die Adresse des Waldmannes:
»Wenn du dann nicht redest, stellen wir dich noch am selben Tag vor das Magistratstribunal und urteilen dich auf Grund der Zeugenaussagen und Indizien ab.« Sie wandte sich an Ginkgoson. »Lassen Sie ihn zurück in seinen Kerker bringen und veranlassen Sie die Sonderbehandlung!« Sie drehte sich um und stelzte zurück zur Couch.
»Eines sollst du wissen, Alison.« Plötzlich begann er zu sprechen. Cansu Alison Tsuyoshi blieb stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand geprallt. »Jeder hat zu bezahlen…«
Neronus Ginkgoson räusperte sich. »Sie sprechen mit der Ratspräsidentin, Felsspalter! Sie wird mit Dame Ratspräsidentin Cansu Alison Tsuyoshi angesprochen, und Sie haben sie zu siezen…«
»… auch du, Alison, wirst bezahlen. Jeder, der einem anderen das Leben raubt oder einen Beitrag zum Raub eines Lebens leistet, bezahlt.«
»… was faselst du da?« Cansu Alison drehte sich um. »Was fällt dir ein?!«
»Die Mörder meiner Schwester, meiner Nichte und unserer Wohnbäume wurden bereits bestraft«, fuhr der Waldmann ungerührt und mit ruhiger Stimme fort. »Die sie geschickt haben, werden noch bezahlen. Auch du. Das sollst du wissen, Frau. Vergiss es nicht…«
»Weg mit ihm!« Die Präsidentin wurde laut. »Schafft ihn endlich raus!« Die Exekutivmänner packten den Waldmann namens Felsspalter und führten ihn aus dem Raum.
Cansu Alison Tsuyoshi wartete, bis die Tür sich schloss, dann trafen ihre zornigen Blicke abwechselnd den Magister und den Städtebauer. »Woher weiß er das?«, rief sie. »Wer hat ihm gesagt, dass seine Schwester tot ist? Er war doch ohne Bewusstsein, als der Baum sie erschlug!« Ihr Blick flog zwischen Ginkgoson und Fedor Lux hin und her. Eisbleich war sie plötzlich, fand der Magister, und sie wirkte gehetzt.
»Irgendjemand muss es ihm doch verraten haben!«
»Möglich.« Fedor Lux erhob sich. Seine Miene war ernst und nachdenklich. »Muss aber nicht sein. Vielleicht hat sich ein Vogel in seine Zelle verirrt, vielleicht ein paar Insekten. Diese Leute verfügen über Informationskanäle, von denen wir nichts ahnen.«
***
Die
Weitere Kostenlose Bücher