Der Knochenmönch
Je tiefer die drei Vermummten gingen, um so schlechter wurde die Luft.
Ein gewaltiger Schwamm schien den Sauerstoff aufzusaugen, und statt dessen schob sich ein anderer Geruch in den Vordergrund. Alt, widerlich, nach verfaultem Fleisch stinkend. Als lägen in den Ecken zahlreiche Körper, die der Verwesung anheim gefallen waren.
Die Vermummten sprachen nicht. Einer von ihnen trug eine Fackel. Das Licht tanzte im Rhythmus der Bewegungen, es glitt über die rauhen Wände, es berührte den Boden, es zuckte über jahrhundertealten Staub hinweg und wurde begleitet von einer übelriechenden Fahne aus Qualm.
Sie wehte gegen die Gesichter der beiden anderen Männer, die ihre Kapuzen so hoch wie möglich gezogen hatten.
Die Treppe schien kein Ende zu nehmen. Es gab keinen Absatz, der die Reihe der Stufen unterbrach. Unter den Füßen der drei knirschte der Dreck und wurde zu Staub zerrieben.
Die Tiefe erschien ihnen unendlich, aber sie war es nicht, denn als sie sich verengte und der linke Mauerrand vorsprang wie ein kantiger, hochstehender Knochen, da hatten es die drei Gestalten geschafft. Der Fackelträger blieb als erster stehen. Er wartete auf seine beiden Freunde, die sich kurz darauf neben ihn stellten.
Der Mann hielt die Fackel hoch.
Das Licht bewegte sich unter der Decke. Es bildete dort einen großen Fleck. Der Widerschein traf auch die Gesichter der Wartenden, er ließ sie aussehen wie verzerrte Bilder, die von einem Maler mit schnellen Pinselstrichen auf die Leinwand geworfen worden waren.
Sie schauten sich an.
Um die Lippen des Fackelträgers huschte ein Lächeln. Als seine Freunde nickten, zerbrach das Lächeln.
Der Mann wußte Bescheid. Er drehte sich um und ging nach vorn. Weit brauchte er nicht zu laufen, denn eine uralte Tür in der Wand versperrte ihm den Weg.
Der Mann wechselte die Fackel in die linke Hand. Den rechten Arm hob er an. Seine Finger waren bereits gekrümmt und auf das Ziel fixiert, das sich in der Türmitte abzeichnete.
Es war eine Klappe. Oder mehr eine Tür in der Tür. Ein knorriger, uralter Holzriegel hielt die Klappe, sonst wäre sie herausgefallen. »Öffnet!«
Die beiden Männer ließen es sich nicht zweimal sagen. Während der Fackelträger zur Seite trat und ihnen Platz schuf, faßten sie den Riegel an und zogen ihn zurück. Noch hielt die Klappe. Staub und Feuchtigkeit hatten im Laufe der Jahrhunderte einen Schmier gebildet, der wie Leim klebte.
»Jetzt!«
Beide zogen zur selben Zeit. Die Klappe löste sich, sie kippte ihnen entgegen, und die Arme der Männer sanken unter dem Gewicht des massiven Holzes nach unten. Sie rutschte aber nicht ab, sondern wurde vorsichtig auf den Boden gestellt, denn niemand wollte etwas zerstören.
Obwohl sie heugierig waren und es sie drängte, warfen sie nicht deh ersten Blick in den hinter der Öffnung liegenden Raum. Das überließen sie dem Fackelträger.
Mit sehr würdevollen Bewegungen trat er an die Tür heran. Er wußte genau, daß es für seine und die Zukunft der anderen von größter Bedeutung sein würde, wenn sie wirklich das entdeckten, was sie sich erhofften.
Der Mann gab seine Fackel ab.
Er brauchte sich nicht zu recken, um durch die Öffnung schauen zu können. Er tat es – und stöhnte auf.
»Was ist?« zischelte eine Stimme.
Der Beobachter gab keine Antwort. Er schaute noch einmal, stöhnte aber nicht, sondern lachte leise. Da wußten auch seine Freunde, daß sie richtig waren. Die folgenden Sekunden erschienen ihnen doppelt so lang, wie sie tatsächlich waren.
Endlich trat der Beobachter zurück und gab damit den Weg frei. Auch die beiden anderen blickten durch die Öffnung. Sie taten es gemeinsam, und sie hielten dabei die Luft an.
Nach einer Weile drehten sie sich um. Gegenseitig schauten sich die Männer an. Sie sagten nichts, nur ihr Atem war zu hören. Er vermischte sich mit dem leise fauchenden Geräusch des Feuers.
»Er ist es!« sagte der Anführer.
Die anderen beiden nickten.
»Es ist der, der einmal die Macht über die Kirche übernehmen sollte. Und wir drei wissen, was zu tun ist.«
»Ja, er muß sterben!«
»Er wird sterben.«
»Damit er auf seinem Stuhl sitzen und regieren kann. Laßt uns die Vorbereitungen treffen, Freunde…«
»Soll ich auf Sie warten, Sir? Ich meine, die Gegend ist hier ziemlich einsam. Sie werden so rasch keinen anderen Wagen finden. Und ich warte gern.«
Horace F. Sinclair überlegte, ob er das Angebot des Taxifahrers annehmen sollte. Er entschied sich dagegen. Er
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