1571 - Der fliegende Tod
sprechen?«
Harry runzelte die Stirn. »Meinst du damit ein Gefühl oder eine Befürchtung?«
»Eher Letzteres.«
»Dann lass es lieber bleiben. Wir haben Urlaub.«
»Oder hatten wir das?«
Darauf wollte Harry Stahl keine Antwort geben. Jetzt war erst einmal wichtig, dass sie so schnell wie möglich den BMW von der Straße brachten.
Harry fuhr mit Frank Herzog und dessen BMW voraus. Dagmar hängte sich mit dem Opel Signum an sie.
Es war komisch, aber Harry Stahl konnte nicht vermeiden, dass er während der kurzen Strecke bis zu ihrem Haus immer wieder zum Himmel schaute, der ein tolles Bild bot, aber keinen darüber schwebenden Riesenvogel…
***
Zwei Windlichter standen auf dem Tisch und verbreiteten ihren leicht flackernden Schein über den Tisch.
Harry hatte für Wein und Mineralwasser gesorgt, auch etwas zu Knabbern bereit gestellt, und eigentlich hätte es eine gemütliche Abendrunde werden können, hätte es nicht diesen Zwischenfall auf der Straße gegeben, der alle bedrückte.
Der Garten lag nicht im Dunkeln. An verschiedenen Stellen standen kleine Lampen, die für Lichtinseln sorgten, und auch vom Nachbargrundstück her fiel ein schwacher Schein in den Garten.
Frank Herzog war kurz in seinem Haus gewesen und hatte die Außenbeleuchtung eingeschaltet.
Der Rosé war gut gekühlt. Er stammte vom Kaiserstuhl. Er war genau das Richtige für eine Nacht wie diese.
»Und jetzt wollen wir mal auf die gute Fatima anstoßen und auf den Nachwuchs, der bald das Licht der Welt erblickt.«
Dagmar hob ihr Glas, Harry tat es ihr nach, und beide schauten auf ihren Nachbarn, der mit einer etwas schwerfällig wirkenden Geste nach seinem Glas fasste. Er brachte jedoch kein Lächeln zustande. Zu stark wirkten noch die Erinnerungen in ihm nach.
Trotzdem trank er, wischte über seine Lippen und bedankte sich dafür, dass er hier bei den Nachbarn sein durfte.
»Das ist doch selbstverständlich.« Harry schüttelte den Kopf. »Man muss zusammenhalten.«
»Ich glaube nicht, dass jeder Mieter so reagiert hätte wie Sie beide.«
»Kann sein. Wir sehen es als völlig normal an.«
»Ja, zum Glück gibt es immer wieder Ausnahmen.«
»Klar, aber jetzt müssen wir uns darüber unterhalten, was mit Ihnen passiert ist, Frank.«
Herzog schaute hoch. »Das ist unwahrscheinlich und auch nicht zu glauben, obwohl alles so passiert ist. Aber ich kann Ihnen auch keinen Vorwurf machen, wenn Sie im Stillen denken, dass ich spinne.« Er schaute immer wieder von einem zum anderen. »Es ist nun mal so. Ich habe etwas gesehen, das es eigentlich nicht geben darf. Basta und fertig.«
»Sie meinen den Vogel«, sagte Dagmar, nachdem sie einen Schluck Wein getrunken hatte.
»Genau den.« Herzog breitete die Arme aus. »Aber bitte, verlangen Sie keine Beschreibung von mir. Die kann ich Ihnen beim besten Willen nicht liefern.«
»Warum nicht?«
»Erstens war ich zu überrascht, zweitens war es dunkel, ebenso wie dieser riesige Vogel. Ein fliegendes Ungeheuer, das durch die Luft segelte, mich zum Bremsen zwang, und was dann geschah, darüber kann ich jetzt kaum sprechen. Das ist zu unwahrscheinlich. Ich wurde aus dem Wagen geholt…«, er schüttelte den Kopf, »… nein, das nicht. Ich stieg selbst aus. Dann packten mich die Krallen, hoben mich an und ich hatte den Eindruck, dass jetzt mein letztes Stündlein geschlagen hätte. Wenig später landete ich dann auf dem BMW, rutschte hinab und lag auf dem Boden.« Er berichtete noch davon, wie sehr er von der Rolle gewesen war. »Ja, und jetzt sitzen wir hier, reden darüber und sind zu dritt so gut wie ratlos. Oder hat einer von Ihnen eine Idee?«
Dagmar schüttelte den Kopf.
Harry Stahl hob die Schulter. Er wollte es nicht dabei belassen und sagte mit leiser Stimme: »Bitte, Sie dürfen jetzt nicht böse sein, aber ich möchte noch mal fragen, ob es wirklich stimmt, was Sie da erlebt haben.«
Frank Herzog schüttelte den Kopf. »Ich bin Ihnen nicht böse, wirklich nicht. Ich habe versucht, mich in Ihre Lage zu versetzen, und mir wäre es ebenso ergangen. Aber mehr kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Es ist alles so passiert, wie ich es Ihnen geschildert habe, und jetzt habe ich Angst, dass ich verrückt werde.«
»Wir glauben Ihnen«, sagte Dagmar.
Das Flackerlicht der Kerzenflammen fuhr über ihre Gesichter. Harry und Dagmar sahen, wie groß die Augen des Mannes wurden. Er versuchte es mit einem Lächeln. Es wurde nur ein Zucken der Lippen, nicht mehr.
»Danke.« Er trank
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