1573 - Blick in die Zeit
Menschen Fuß je betreten hatte.
Und ab und zu gab es Siedlungen.
Da waren Städte und Dörfer, einzelne Gebäude und technische Einrichtungen, und manche wirkten so vertraut, daß Nermo Dhelim versucht war, bei ihnen zu landen. Er war sicher, daß er dort Wesen seiner eigenen Art vorfinden würde.
Vielleicht sprachen sie sogar seine Sprache.
Es war etwas Verlockendes an dem Gedanken, den Befehl des Unbekannten zu ignorieren und sich in irgendeinem stillen Dorf am Meer niederzulassen.
Ich könnte von dort aus diese Welt erforschen, dachte er. Hier gibt es mehr Wunder, als ich je begreifen könnte.
Andere Siedlungen waren sehr fremd.
Fremdartig war auch das meiste Getier, das der Wissenschaftler zu Gesicht bekam.
Man könnte glauben, daß der Unbekannte aus allen Teilen seines Herrschaftsbereichs etwas mitgenommen hat, dachte Nermo Dhelim, und das war es wohl auch, was der Wahrheit am nächsten kam: Diese scheibenförmige Welt, dieses ganze unbegreifliche Gebilde, war nichts anderes als eine Sammlung.
Eine Demonstration unfaßbarer Macht.
Vielleicht aber auch eine Gedächtnisstütze für eine Wesenheit, deren Einflußbereich über die Grenzen des Vorstellbaren hinausreichte und die daher gezwungen war, sich ihre eigene Macht auf solche Weise immer wieder vor Augen zu führen.
So ungeheuerlich diese Vorstellung auch sein mochte: Nermo Dhelim war fast davon überzeugt, daß die Wahrheit noch viel unglaublicher sein mußte.
Er erreichte das Zentrum der Scheibe und sah die Stadt, von der der Unbekannte gesprochen hatte.
Diese Stadt lag auf einer weiten Hochebene am Ufer eines gewaltigen Stromes. Eine künstliche Sonne strahlte senkrecht herab und ließ die stählernen Hüllen der Gebäude funkeln. Ein ständiges Dröhnen erfüllte die Luft.
Es stammte von dem Strom, der sich jenseits der Stadt als gigantischer Wasserfall Hunderte von Metern tief in ein blaues Meer ergoß.
Dies war keiner jener Orte, an denen Nermo Dhelim hätte leben mögen. Die Stadt war bei aller Schönheit, die man ihr zweifellos zubilligen mußte, kalt und leblos.
Die Stadt und ihre Umgebung - vor allem der gewaltige Abgrund, in den der Strom hinabstürzte - waren zu großartig, als daß ein normales sterbliches Wesen diesen Anblick auf lange Sicht verkraften konnte, ohne Minderwertigkeitskomplexe zu entwickeln.
Gigantisch war auch der freie Platz im Zentrum der Stadt.
Nermo Dhelim ließ das Beiboot dort landen.
Wenig später trat er aus der Schleuse ins Freie und sah sich um. Er starrte auf die Gebäude, die fremdartigen Maschinen und den seltsamen Turm, der sich am Rand des Platzes erhob und so hoch war, daß Nermo Dhelim seine Spitze kaum erkennen konnte. Ein Gefühl der Beklemmung befiel ihn, das ihm nahelegte, schleunigst von hier zu verschwinden.
Er kämpfte diese Anwandlung nieder und trat mutig auf den weiten Platz hinaus.
Das Donnern des Wasserfalls war hier nicht hörbar. Dafür lag ein ständiges Summen in der Luft.
Sonst war es still.
Eine seltsame Stille, dachte Nermo Dhelim.
Kein Insekt summte, kein Vogel sang, kein Blatt und kein Halm bewegten sich im Wind.
Nur das Summen war da.
Dieses Summen erweckte in Nermo Dhelim den Eindruck, sich an einem Ort zu befinden, an dem sich eine ungeheure Menge von Energie zusammenballte.
Wie im Innern einer Bombe, überlegte er.
Dieser Gedanke war alles andere als beruhigend.
Der Wissenschaftler ging langsam und vorsichtig in Richtung der nächsten Gebäude. Das Geräusch seiner Schritte erschien ihm sehr laut. Der Boden unter seinen Füßen dröhnte wie ein riesiger Gong.
Es wurde Abend auf der Welt des Unbekannten. Das Licht der Kunstsonnen wurde schwächer.
Kupferfarbener Glanz legte sich über die Stadt.
Nermo Dhelim blieb am Rand des Platzes stehen.
Der Boden unter seinen Füßen bestand aus Metall. Die Gebäude am Rand der freien Fläche schienen fugenlos aus diesem Boden emporzuwachsen. Die meisten Gebäude waren kuppelförmig. Es gab aber auch alle möglichen anderen Formen.
Die Gebäude sahen nicht so aus, als hätte man sie einzeln erbaut, sondern als seien sie alle zur gleichen Zeit entstanden - nicht als voneinander getrennte Gebilde, sondern als Teile eines Ganzen.
Das ist keine normale Stadt, dachte Nermo Dhelim. Es kommt mir eher so vor, als wäre ich hier im Innern einer Maschine. Vielleicht sind das alles gar keine Gebäude, sondern Maschinenteile - oder, besser gesagt: künstliche Organe in einem künstlichen Organismus. Und vielleicht ist dieser
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