1597 - Die Köpferin
Dienste den großen Organisationen angeboten haben, und die müssen jetzt jeweils davon ausgehen, dass der andere mehr will, nämlich seine Macht und seinen Einfluss vergrößern. Das bedeutet einen brutalen Bandenkrieg. Mallmann kann warten und sich die Hände reiben.«
Es war zum Heulen. Ich hätte ihr gern widersprochen. Doch das konnte ich nicht. Ihre Gedankengänge waren logisch, und ich spürte auch einen unangenehmen Druck im Magen.
»Na, was sagst du?«
Meine Antwort glich einem leichten Abwiegeln, denn zu einfach wollte ich es ihr nicht machen. »Noch habe ich nichts von einem Bandenkrieg in der Londoner Unterwelt gehört. Der hätte sich auch bis zu mir herumgesprochen, das kannst du mir glauben.«
»Klar, man hält sich zurück. Nichts darf an die Öffentlichkeit dringen. Und wer vermisst die Typen schon? Nur der innere Zirkel der Banden. Es dringt nichts nach außen, so lange keine Leichen gefunden werden.«
Ich nickte. »Aber wenn alles das stimmt, was du gesagt hast, müssen wir einen Weg finden, um Loretta auf die Spur zu kommen.«
Justine sah einen anderen Weg, und den erklärte sie mir.
»Wir müssen sie nicht finden. Sie wird uns finden - oder hat uns schon gefunden.«
»Du bist dir sicher?«
»Das bin ich.« Justine deutete auf sich. »Sie wird längst gemerkt haben, dass es einen Störenfried gibt. Und den muss sie ausschalten, um weiter in Ruhe agieren zu können.«
»Verstehe. Du gehst also davon aus, dass sie dir bereits auf der Spur ist.«
»So ist es, John. Das hoffe ich sogar.«
Ich kannte Justine gut genug, um zu wissen, dass sie meinte, was sie sagte. Hier ging es sowohl für Justine als auch Loretta um noch etwas anderes: Eine von ihnen war zu viel in dieser Welt. Justine jedenfalls würde ihre Macht niemals mit jemandem teilen wollen.
»Es muss alles seinen normalen Gang gehen«, erklärte ich. »Wir können nicht so tun, als würde es die Köpfe nicht geben. Es gibt sie, und ich werde meinen Kollegen von der Spurensicherung Bescheid geben müssen.«
»Das ist sogar nicht mal schlecht«, erwiderte sie zu meiner Überraschung und grinste sogar.
»Und warum denkst du so?«
»Ganz einfach. Wenn man die Überreste hier findet, ist dieses Versteck für Loretta verloren. Dann muss sie sich ein anderes suchen, was nicht so leicht sein wird.«
»Ist nicht unser Problem.« Sie nickte. »Das glaube ich auch.« Sie trat gegen den Boden und schleuderte Laub in die Höhe. »Ich denke, dass wir hier nichts mehr verloren haben.«
Ich nickte, »Willst du nicht bleiben, bis deine Kollegen hier sind?«, fragte sie mich. »Die rufe ich erst morgen an. Es eilt ja nicht. In der Dunkelheit nach Spuren zu suchen ist auch nicht eben das Wahre.«
»Dann lass uns gehen.«
Ich nickte und hörte dann ihre nächste Bemerkung.
»Aber denk immer daran, dass sie weiß, dass man ihr auf der Spur ist. Du darfst ihre Raffinesse auf keinen Fall unterschätzen.«
»Keine Sorge, das werde ich nicht.«
»Dann ist es ja gut«, erklärte sie locker.
Wir machten uns wieder auf den Rückweg Ich hatte weiß Gott kein gutes Gefühl dabei und machte mir schon Gedanken darüber, wie es weitergehen würde. Sehr strahlend sah die nahe Zukunft wirklich nicht aus. Das war schon was, das auch bei mir für leichte Beklemmungen sorgen konnte. Hinzu kam die Umgebung, die man nicht eben als menschenfreundlich umschreiben konnte.
Die Dunkelheit hatte alles im Griff. Ich wurde den Eindruck nicht los, mich durch einen endlos langen dunklen Tunnel zu bewegen.
Diesmal ging Justine hinter mir her. Ich war sogar froh, eine Blutsaugerin an meiner Seite zu haben, denn ihnen sagte man nach, dass sie in der Dunkelheit ebenso gut sahen wie wir normalen Menschen im Hellen.
Sollte irgendein Feind auf uns lauern, würde Justine ihn hoffentlich früh genug entdecken.
Auf die Lampe verzichtete ich auch jetzt. Leise konnten wir uns nicht bewegen, das ließ das Laub auf dem Boden einfach nicht zu. Immer wieder wirbelten Blätter in die Höhe, die von unseren Füßen hoch geschleudert worden waren.
Ich dachte an Will Mallmann, alias Dracula II. Auch er war ein Blutsauger. Er war so etwas wie ein Supervampir, und ich hatte es bisher nicht geschafft, ihn zu vernichten.
Ich wollte seinen Schutz zwar nicht mit meinem Kreuz vergleichen, aber irgendwie traf das schon zu. Er besaß den Blutstein, der ihn fast unbesiegbar machte. Wenn ich ihn in die Hände bekam, waren Mallmanns Tage endgültig gezählt. Versucht hatte ich es oft genug,
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