160 - Der untote Kreuzritter
einem Tiegel holte er eine penetrant stinkende Salbe, die er über Heinrichs Stirn, die Lider und Schläfen strich.
Der Hexer kniete nieder, und seine Lippen formten Worte, die einer längst vergangenen Epoche angehörten. Mit den Händen vollführte er kreisende Bewegungen und zeichnete unsichtbare Muster in die Luft. Als Heinrich sich zu bewegen begann, wischte er mit einem Tuch die Salbe von seinem Gesicht und stand auf.
„Ich fühle mich unendlich schwach", sagte Heinrich und schlug langsam die Augen auf.
„Geht ein wenig ins Freie, Herr. Die frische Luft wird Euch guttun. In der Zwischenzeit treffe ich die anderen Vorbereitungen."
Der Ritter stand mühselig auf. Er taumelte zur Tür und wankte ins Freie. Vor der Hütte blieb er stehen. Sein Pferd empfing ihn mit einem freudigen Wiehern.
Nie zuvor hatte sich Heinrich so schwach gefühlt. Sein Körper und sein Geist schienen wie gelähmt. Wie ein Betrunkener schritt er um die Hütte herum - immer wieder.
„Es ist soweit, Herr", sagte Baphomet, der in der Tür erschienen war, schließlich.
Heinrich betrat wieder die Hütte und setzte sich nieder.
„Hängt Euch dieses Amulett um den Hals, edler Herr."
Der Ritter starrte das kleine Ledersäckchen mißtrauisch an, das unverständliche Zeichen aufwies und an einer dünnen Lederschnur befestigt war.
„Was soll das?"
„Ihr müßt dieses Amulett ständig tragen. Solltet ihr sterben, wird es seine Wirkung tun. Spätestens nach drei Tagen werdet Ihr erwachen."
Heinrich blickte das Amulett skeptisch an, dann hing er es sich um den Hals und schob es unter sein Kettenhemd.
„Diesen Trank gebt Ihr Eurer Gemahlin, edler Herr. Solltet Ihr tatsächlich sterben, dann wird ein entsetzlicher Schmerz durch ihren Leib rasen, und sie wird Euren Tod in ihren Träumen erleben." „Sehr gut. Du wolltest zwar keinen Lohn, Baphomet, aber nimm dies", sagte er und warf dem Zauberer einen Beutel zu.
„Danke, edler Herr. Ich wünsche Euch viel Glück."
„Das werde ich auch gut gebrauchen können, Baphomet."
Der Ritter drehte sich um, trat aus der Hütte, schwang sich in den Sattel und ritt los, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Es wurde langsam dunkel. Das Laub raschelte unter den Hufen des Grauschimmels, und gelegentlich war das Knacken von Ästen zu hören.
Nach etwa einer halben Stunde kam er an einem kleinen Dorf vorbei. Er wandte sich nach links und erreichte einen schmalen Pfad, der durch einen Birkenwald führte.
Und dann war das Schloß zu sehen. Es war ein wenig beeindruckender Bau, schmutzig und verräuchert.
Ein leichtes Lächeln lag um Heinrichs Lippen. Er dachte an seine Hochzeit mit Runhild vor vier Jahren. Da war er gerade sechzehn und sie war vierzehn gewesen. Sie war ihm wie ein Engel vorgekommen. Das kastanienfarbige Haar war ihr in langen Wellen über den Rücken gefallen und hatte bis zu den Knien gereicht. Der mit kostbaren Edelsteinen geschmückte Silberreif hatte ihr ausdrucksvolles Gesicht mit den vollen Lippen, der winzigen Nase und den großen glutvollen Augen betont. Das rote Kleid und der weiße Schleier hatten ihre Schönheit unterstrichen.
Nach der Hochzeit und nachdem das üppige Mahl zu Ende gegangen war, hatte sein Vater sie in das Brautgemach geführt, das sich im Badehaus befunden hatte. Der gesäuberte Raum war mit Blumen geschmückt gewesen. In der Mitte hatte sich das breite Lager befunden. Der Raum war voll mit Verwandten und Gästen gewesen, die immer wieder in Hochrufe auf das junge Paar ausgebrochen waren. Alle hatten das Erscheinen der Braut erwartet, die in einem Nebenraum von den jungen Mädchen entkleidet worden war. Und endlich war sie erschienen - das Haar hoch aufgesteckt und mit einem weißen Hemd bekleidet. Sie war zu Heinrich ins Bett gekrochen, und ihr Gesicht war hochrot gewesen. Endlich hatte sich das Zimmer langsam geleert. Nur eine Kerze hatte noch gebrannt. Und dann waren sie allein gewesen. Er hatte die Kerze gelöscht. Sie hatten eng aneinandergeschmiegt in der Dunkelheit gelegen, und sie hatte sich dreimal geweigert, das Hemd auszuziehen. Doch endlich hatte sie sich ihm hingegeben…
In den vier Jahren ihrer Ehe hatte sie ihm einen Knaben geschenkt, der nun schon drei Jahre alt war. Nach dem Tod seines Vaters vor zwei Jahren war er zum Burgherren aufgestiegen. Und jetzt sollte er in wenigen Tagen das heimatliche Schloß verlassen und in den Krieg gegen die Ungläubigen ziehen, denen es gelungen war, Jerusalem zu erobern.
Endlich hatte er das Schloß
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