1603 - Der Geistertänzer
Er hatte mich gesehen, und er wusste sofort, was zu tun war. Er ist stark, denn er trägt eine starke Waffe bei sich. Nur wenn meine Feinde vernichtet sind, habe ich Ruhe. Ich verlasse mich auf dich, Isabel. Auf dich und deinen Freund. Leb wohl…«
»Nein!«, rief die Tänzerin. »Nein! Du willst doch nicht etwa verschwinden?«
»Ich muss!«, erwiderte die zitternde Stimme.
»Dann sehen wir uns nicht mehr wieder?« Isabel legte flehend beide Hände zusammen.
»Es kann sein. Ich weiß ja, dass du heute Abend Probe hast.«
»Ja, das stimmt.«
»Geh hin, bitte.«
Die Tänzerin nickte. »Ja, das hatte ich vor. Aber wirst du auch dort sein?«
»Ich werde mich bemühen. Aber denk auch an meine Verfolger. Sie lassen mich nicht aus den Augen. Sie sind mir so nah, verstehst du, immer sind sie da. Ich muss weg! Ich muss fliehen, sonst sind sie plötzlich auch bei dir. Und das will ich nicht…«
Der Geistertänzer hatte bisher nur geredet. Jetzt zeigte er seine andere Seite, und auch Suko und ich schauten staunend zu, wie er verschwand.
Zuvor wollte er noch von seiner Partnerin Abschied nehmen. Wir schauten zu, wie beide zusammenkamen, er den Kopf beugte, sie fast miteinander verschmolzen, und er ihr dann so etwas wie einen Kuss auf die Lippen hauchte.
Ein leiser Ruf wehte dabei aus Isabels Mund. Sie taumelte zur Seite und fand an der Wand Halt. So sah sie nicht, wie Julius Crane verschwand.
Das bekamen nur wir mit. Ein kalter Hauch wehte uns entgegen, dann war der Geistertänzer weg.
»Ich denke«, sagte Suko, »jetzt geht es erst richtig los.«
»Ja, das wird wohl so sein.«
***
Isabel Kessler war in den nächsten Minuten nicht ansprechbar. Zu sehr stand sie noch unter dem Eindruck des Erlebten. Dass sie darüber noch länger nachdenken würde, war nur menschlich.
Suko kümmerte sich um sie, während ich in die Küche ging. Mein Handy hatte sich gemeldet. Es war Bill Conolly, der mit mir sprechen wollte.
»Na, wie hat sich der Fall entwickelt?«
»Böse.«
»Wieso?«
»Es hat eine Leiche gegeben. Paula Ashley. Eine Frau, die es gut meinte und helfen wollte.«
»Mist!«, flüsterte Bill. »Und wer hat sie getötet?«
»Geisterwesen.«
»Damit kann ich nichts anfangen. Es war aber nicht unser Geistertänzer?«
»So ist es.«
»Und wie sehen deine oder eure Probleme aus? Sind sie zu lösen? Oder habt ihr…«
»Nein, nein, Bill, das kriegen wir schon hin. Du musst dir keine Gedanken machen. Ich werde dich jedenfalls anrufen, wenn wir es hinter uns haben.«
»Toll.« Seine Stimme klang leicht enttäuscht. »Dabei habe ich dich erst auf diesen Fall aufmerksam gemacht.«
»Ich weiß. Aber bitte, das ist eine Sache, die nur uns etwas angeht. Es ist besser so.«
»Klar, wir hören noch voneinander.« Bill legte auf.
Ich wusste, dass er leicht sauer war, konnte es aber nicht ändern, denn dieser Fall musste von Suko und mir allein gelöst werden. Der war eine Stufe zu gefährlich für Bill.
Isabel und Suko betraten die Küche. Die Tänzerin sah alles andere als gut aus. Der Ausdruck in ihrem Gesicht schwankte zwischen Hoffen und Furcht.
Sie sah mich an und fragte: »Haben Sie auch alles mitbekommen, Mr. Sinclair?«
»Das habe ich.« Meine Antwort sollte sie beruhigen. Es war zu sehen, dass sie nachdachte. Hin und wieder zuckte es in ihrem Gesicht.
Sie traute sich nicht so recht, mit der Sprache herauszurücken, bis sie schließlich leise fragte: »Und jetzt?«
Ich nickte ihr zu. »Sie sind eine Hauptperson, Isabel. Das müssen Sie wissen. Es bleibt bei unserem Plan. Gehen Sie zu dieser Probe. Ich denke, dass sich dort alles entscheiden wird.«
»Was denn? Mein Schicksal?«
»Kaum. Eher das Ihres Partners. Er sieht Sie. Er findet keine Ruhe. Das Böse verfolgt ihn, und er hat seine Chancen gesucht. Sie sind eine für ihn, und er rechnet damit, dass Sie etwas unternehmen können.«
Isabel überlegte. Dabei spielte sie mit ihren Fingern. »Was denn?«, fragte sie dann leise. »Ich bin nicht in der Lage, ihm das zurückzugeben, was er verloren hat. Ich kann ihn nicht mehr zu einem Menschen machen. Sein Körper ist verbrannt. Die Asche liegt in einer Urne, und sie ist in Belgien begraben. Da ist nichts mehr, was ich noch für ihn tun könnte, wenn Sie verstehen.«
»Ja, das verstehe ich, Isabel. Erbittet Sie nur um etwas anderes. Sie könnten mithelfen oder dazu beitragen, dass er seine endgültige Ruhe findet. Mehr nicht.«
»Das sagen Sie.« Sie lachte auf und winkte ab.
»Ich weiß, dass es
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