1608 - Das siebte Opfer
wir auf das Gelände, wobei Tanner nicht zu übersehen war. Er sprach mit einem seiner Leute, der aussah wie ein Raumfahrer ohne Helm in seinem weißen Schutzanzug.
Ein paar Meter von Tanner entfernt hielten wir an. Es war mittlerweile heller geworden, und am Himmel lag eine graue Wolkenschicht.
Beim Aussteigen spürten wir eine feuchte Kälte, die uns gar nicht gefiel.
Hinzu kam der Wind. Ich hatte das Gefühl, den Schnee zu riechen, der bald fallen würde.
Unser Freund Tanner sah aus wie immer. Für ihn schien es keine Jahreszeiten zu geben. Er trug wie immer seinen grauen Filz, der speckig schimmerte. Dazu den ebenfalls grauen Anzug mit einer Weste darunter, aber er hatte zum Schutz gegen die Kälte einen grauen Mantel übergestreift, der nicht geschlossen war.
Wir gingen auf den Chiefinspektor zu und begrüßten ihn durch Händedruck.
Wir kannten Tanner als einen bärbeißigen Typen. Raue Schale, weicher Kern. Ein Mensch, der in seinem Job aufging, und das schon über lange Jahre hinweg. So brummig er sich gab, wenn es um seine Leute ging, konnte man sich auf ihn verlassen, überhaupt war er ein Typ, mit dorn man die berühmten Pferde stehlen konnte.
»Es ist eine große Scheiße«, sagte er und schnaufte. »Schon die sechste tote Frau, die auf die gleiche Weise umgebracht wurde.«
»Wir haben davon gehört«, sagte Suko.
Tanner nickte.
»Aber es lag nicht auf unserer Linie«, fügte ich erklärend hinzu.
»Was ich als Irrtum ansehe«, erklärte Tanner. »Ich hätte euch schon früher ins Boot geholt, aber da gab es einige Typen, die etwas dagegen hatten. Fragt mich nicht nach den Gründen, sonst rege ich mich noch künstlich auf.«
»Können wir die Tote sehen?«, fragte ich.
»Deshalb seid ihr doch hier.«
»Schon gut.«
»Kommt mit.«
Wir mussten nicht weit gehen. Um den Tatort herum flatterte ein Absperrband im leichten Wind. Männer der Spurensicherung waren dabei, jeden Zentimeter des Bodens in der Umgebung abzusuchen. Die meisten kannten wir, und man nickte uns zu oder hob kurz die Hand zur Begrüßung.
Von Tanner erfuhren wir, dass die Tote auf der Kühlerhaube gelegen hatte. Da lag sie nicht mehr, man hatte sie in das Unterteil der Wanne gelegt, mit der sie abtransportiert werden sollte. Der Körper war mit einem Tuch abgedeckt worden. Von Tanner persönlich wurde es in die Höhe gezogen. »Bitte, da seht ihr alles.« Es war eine junge und leidlich hübsche Frau, die man gekillt hatte. Das bekamen wir nur am Rande mit, denn etwas anderes war wichtiger. Die Mitte des Körpers, die freilag, denn dort zeichnete sich die Wunde ab, die der Frau den Tod gebracht hatte.
»Ein Messerstich«, erklärte Tanner. »Sehr tief und direkt ins Herz. Der Killer ist ein Fachmann.«
Wir nickten, aber diese tödliche Wunde interessierte uns nicht so sehr wie das Zeichen, das in den Bauch der Frau eingeritzt worden war. Es war ein blutiges Dreieck! Es zeigte mit der Spitze nach unten, und es musste eine Bedeutung haben. Der Mörder hatte es nicht aus Spaß in die Haut geschnitten. So etwas tat man nicht ohne Motiv.
Sekundenlang sprach niemand von uns. Wir sahen nur die Blicke des Chiefinspektors auf uns gerichtet, der natürlich auf unseren Kommentar gespannt war.
»Und? Höre ich was?«
»Das Zeichen hat etwas zu bedeuten«, murmelte ich. »Und ob. Aber was?« Ich hob den Blick und drehte mich zu Tanner hin um, weil ich in sein Gesicht schauen wollte. Ich kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass er sich bereits so etwas wie einen Reim auf dieses Zeichen gemacht hatte, sonst hätte er uns nicht gerufen.
»Dieses Dreieck könnte für den Teufel stehen«, sagte ich mit leiser Stimme.
Tanner gönnte sich und uns ein knappes Lächeln.
»Bingo, John, das sehe ich auch so. Ich wollte nur von dir oder auch Suko die Bestätigung haben, und jetzt wisst ihr auch, weshalb ich euch gern mit ins Boot nehmen möchte.«
»Das ist verständlich.«
»Dann steigt ihr ein?«
»Was sonst?«
»Sehr gut.«
»Und wo sollen wir beginnen?«, fragte Suko. »Hast du eine Idee? Gibt es Hinweise oder Gemeinsamkeiten, denn das hier ist ja nicht die erste Tote.«
»Leider ist es das sechste Opfer.«
»Dann kann man also davon ausgehen, dass noch weitere folgen werden - oder?«
»Leider«, flüsterte er. »Und wir haben so gut wie keine Hinweise, die uns weiterbringen könnten. Das hier ist kein normaler Serientäter. Dahinter steckt mehr. Ich würde von einem besonderen Motiv sprechen.« Er deutete auf den Körper. »Da
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