1610 01 - Der letzte Alchimist
schuldet Minister Cecil verdammt viel.
Ich nickte flussabwärts in Richtung Tower, der sich langsam aus dem sich auflösenden Morgennebel schälte. »Ich nehme an, Euer Gönner wird sich nicht zu uns gesellen.«
Weitverbreitete, aber durchaus ernstzunehmende Gerüchte besagten, dass der Earl of Northumberland unter besseren Bedingungen im Tower lebte als die meisten Menschen, die noch nie ein Gefängnis von innen gesehen hatten: Seine Frau besuchte ihn regelmäßig. Seine Diener kümmerten sich um ihn, und er hatte die Bücher und Instrumente dabei, die ihm im ungebildeten Volk den Namen ›Hexergraf‹ eingebracht hatten.
»Wie ich sehe, überlässt er Euch das Risiko, Doktor Fludd.«
»Da gibt es kein Risiko. Alles ist berechnet.«
Fludd sprach, als wäre das nichts Besonderes. Er klang so ruhig und gleichmütig, dass ich erkannte, wie unmöglich es war, ihn von seiner Überzeugung abzubringen. Da hätte es auch nichts genutzt, ihm zu erklären, dass der Graf sich einfach aus der Affäre ziehen konnte, indem er sagte, er habe noch nie von einem Doktor Fludd gehört. Was sollte das Fludd schon kümmern? Schließlich war er sich des Erfolges ja ›sicher‹.
Es ist wie eine zweite Natur für mich, die Aufsplitterung einer Verschwörung zu betreiben, der ich mich zum Zwecke ihrer Zerstörung angeschlossen habe. Aber hier kann ich mir die Mühe wohl sparen. Wie auch immer, solches Gerede würde sie vielleicht dazu bewegen, Monsieur Rochefort noch rascher loszuwerden, und das wiederum kam mir gelegen …
Fludd sagte in freundschaftlichem Ton: »Es reicht für Euch zu wissen, dass der Earl uns unterstützt, Monsieur.«
»Oder zu wissen, dass er das zumindest sagt.«
Thomas Hariot hob das bärtige Kinn und unterbrach uns höflich. »Henry Percy steht auf unserer Seite. Er ist die Unterstützung, die wir brauchen, um den jungen Prinzen auf den Thron zu setzen und diesen Feigling, seinen Vater, zu ersetzen …«
»Er sitzt im Gefängnis«, warf ich ein. »Wie kann er Euch da helfen? Ihr seid allesamt Männer des Wortes und der Zahlen. Das ist wohl auch der Grund, warum Ihr und Euer ›Hexer‹ einen Mann der Tat braucht, um Eure Mordpläne umzusetzen.«
Ich spielte den in seinem Stolz verletzten Mann gut genug. Hariot versteifte sich sofort.
»Ihn einen ›Hexer‹ zu nennen, ist genauso angemessen, wie Euch einen ›Gentleman‹ zu rufe, Franzmann! Hierzulande wird jeder gebildete Mann ein Hexer genannt. Wenn Ihr ihn deshalb beleidigt …«
Robert Fludd lachte laut auf und hob die Hände. »Was habe ich dir gesagt, Tom?«
Hariot schnaufte. »Oh, du hattest Recht. Ich gestehe es ein. Ich habe Temperament genug für zwei, und dieser Franzmann ärgert mich.«
»Ihr sollt ja auch keine Brüder werde.« Fludds Lächeln wurde weicher. Er hob den Kopf, um mich anzuschauen. Ich hätte auf seine Heiterkeit gut verzichten können. Für den Plan, den ich vorschlagen wollte, wäre mir eine misstrauischere Atmosphäre gelegener gekommen als eine der Versöhnung.
Ich hob die Augenbrauen. »Braucht Ihr nun meine Hilfe, Doktor, oder habt Ihr nichts Besseres zu tun, als zu reden, wie Verschwörer es nun einmal gerne tun?«
Aemilia Lanier sagte kein Wort, lächelte aber. Sie hatte Tinte an den Fingern und verschmierte damit das weiße Papier der Pamphlete. Ich dachte: Ich würde meinen Plan lieber Fludd und seinen Spießgesellen allein darlegen. Auf die Frau kann ich verzichten.
Fludd sprach. »Wie plant Ihr, es zu tun, Master Rochefort?«
»Ah-ah-ah, nicht so schnell.« Ich hob die Hand. »Hört Euch erst einmal an, was ich hinterher zu tun gedenke.«
Fludd neigte den Kopf zur Seite. Die Morgensonne verlieh seinem Gesicht Farbe. Ich vermochte nicht zu sagen, ob er amüsiert war, verwirrt oder besorgt.
»Eure Forderungen?« Nun klang er eindeutig amüsiert.
»Geld. Eine Schiffspassage.« Ich zuckte mit den Schultern. »Alles andere würde den Tod für mich bedeuten, Monsieur Fludd, und ich halte nicht viel von Selbstmord.«
»Natürlich. Gehen wir davon aus, dass alles zu Eurer Zufriedenheit arrangiert werden kann. Wie beabsichtigt Ihr, König James zu töten?«
Ich konnte nicht anders, als zusammenzuzucken. »Monsieur, wenn Ihr schon davon sprechen müsst, dann nicht so laut.«
»Kein Mensch hört uns zu. Ich habe das berechnet. Zu genau diesem Zeitpunkt können wir uns vollkommen frei miteinander unterhalten.«
Die Geheimhaltung war mir egal. Ich wollte es ihn einfach nicht wissen lassen. Deshalb nickte ich auch
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