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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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gewesen, der ihr das gesagt hätte.
    Bei dem Gedanken, dass ich sie dann um Verzeihung hätte bitten müssen, wurde mir warm im Schritt. Den Rest des Tages mied ich ihre Gesellschaft.
    Ich verhielt mich in jeder Hinsicht so, als wäre ich als Mann gar nicht in der Lage, sie zu begehren, denn ich hatte nicht die Absicht, diese Träume von Unterwerfung noch einmal offen auszuleben. Zum Glück bescherte einem das Bier von Southwark einem einen traumlosen Schlaf, auch wenn es furchtbar schmeckte.
    Während ich die Vorstellungen verfolgte, beobachtete ich, wie der junge ›Monsieur‹ Dariole Freundschaften schloss – oder besser Bekanntschaften – und das mit großer Leichtigkeit. Mit der Finesse eines betrunkenen Soldaten mischte sie sich in die Gespräche anderer ein und schien zu glauben, dass sie die Leute wie ihre Hosentasche kannte, nachdem sie eine schlaflose, volltrunkene Nacht mit ihnen verbracht hatte; sollte es zu Ärger kommen, verließ sie sich ganz auf Gewalt. In der fünften Nacht kehrte ich zu unserem Quartier am Dead Man's Place zurück, nachdem ich gesehen hatte, wie Dariole einem dummen, jungen Mann hinter einer Taverne einen abgebrochenen Dolch durchs Gesicht gezogen hatte, und ein paar Minuten lang vermochte ich die Quelle für mein Entsetzen nicht zu bestimmen.
    Es ist nichts anderes: eine abgebrochene Klinge ins Gesicht oder ein edles Rapier zwischen die Rippen.
    Aber der Junge hatte kein kaputtes Auge verdient, nur weil er so dumm gewesen war, sie anzugreifen. Wird Mademoiselle de la Roncière allmählich zum Tavernenschläger? Damit unterschied sie sich in Nichts von dem rotgesichtigen Ehemann mittleren Alters, der seine Frau schlägt. Das war einfach nur Freude am Prügeln.
    Habe ich ihr durch das, was ich bin, geschadet? Ist es das, was ich nun sehe?
    Ein Teil von mir hielt auch nach Männern Ausschau, die uns beobachten könnten. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich den Blick gehoben und plötzlich ins Gesicht von Robert Fludd, seinen drei Mathematikern oder dieser Frau Lanier geblickt hätte. Ich weiß, wann wir uns wiedersehen werden, hatte er gesagt.
    In dieser Nacht sah ich jedoch keine Spione.
    Ich kämpfte mit dem Zunder, um eine Kerze zu entzünden. Schließlich gelang es mir, und ich ging nach oben. Dort angekommen stellte ich fest, dass die Tür zu unseren Zimmern unverschlossen war, und sah etwas Weißes auf dem Boden. Ich bückte mich, hob das Papier auf und schaute mich rasch um und lauschte.
    Nichts bewegte sich in dem stillen Mietshaus.
    Ich las: An der Battlebridge , Tooley Street.
    Weiter nichts. Keine Zeit, noch nicht einmal ein Tag.
    Das wird sein Haus sein, dachte ich. Inzwischen war ich mit den Straßen von Southwark ein wenig vertraut. Die Nachricht ist in der Nacht gekommen; also soll ich wohl am nächsten Morgen kommen.
    Ich stellte die Kerze auf den Tisch und warf einen Blick zum Fenster hinaus und in den Himmel. Es war erst kurz nach acht und fast schon dunkel.
    Wenn ich nicht über leere Straßen voller verriegelter und verrammelter Häuser gehen wollte, würde ich frühestens am Morgen bei Sonnenaufgang zu dem Treffen aufbrechen können. Dann würde er mich ohne Zweifel erwarten und könnte seinen Männern eine weitere Prophezeiung präsentieren, die wahr geworden war.
    Ich setzte mich auf mein Bett, öffnete meinen Kragen und zog das verstaubte Leinen aus. Nachdem ich ein paar der vierzig Knöpfe meines Wamses geöffnet hatte, hielt ich kurz inne und saß einfach nur da.
    Ist es von Bedeutung, ob er diesen weiteren ›Triumph‹ bekommt?
    Kurz gesagt: Nein.
    Je früher ich dort eintraf, desto schneller konnte ich ihm den ultimativ dümmsten Plan darlegen, woraufhin er Monsieur Rochefort angewidert mit einem Tritt auf die Straße befördern würde, und so sollte es auch sein!
    Ich zog mich weiter aus und lächelte dabei leicht. Ich kann mich auf ein frühes Aufstehen verlassen. Monsieur Saburo schlief zwar bereits tief und fest, wobei ihm mein Mantel als Unterlage diente, doch Mademoiselle Dariole war noch nicht da, und ich rechnete auch nicht vor Sonnenaufgang mit ihr.
    Wenn sie nicht tot irgendwo im Straßengraben liegt, war mein letzter Gedanke, bevor ich einschlief.
    Wie erwartet wankte sie um vier Uhr morgens herein und war sichtlich enttäuscht, dass es mir nichts ausmachte, geweckt zu werden. Ich aß und ließ Monsieur Saburo mit einem Wams vor sich und einem Messer in der Hand auf dem Boden knien, während Mademoiselle Dariole zusammengerollt auf einem

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