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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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armseligen Taverne stecken geblieben ist. Vielleicht hatte der Wirt sich gar bestechen lassen, ihn derart zu präparieren.
    Eine Hand auf Ravaillacs Schulter zwang ich ihn zwischen die Marktstände, die sich an der Rue de la Ferronnerie drängten und sie so trotz aller Edikte dramatisch verengten. Wir waren beide groß genug, um über die Hüte der Menschen hinwegzusehen. So konnten wir beobachten, wie Heinrich nach seiner Brille tastete, abwinkte und dem Duc d'Epernon, der neben ihm saß, bedeutete, ihm einen Brief vorzulesen, während sie darauf warteten, dass die Kutsche aus ihrer misslichen Lage befreit wurde.
    Jeder Mann, selbst ein Fremder bei Hofe, hätte Heinrich sofort anhand seines Porträts auf den Münzen erkannt, wie auch an seinem vorspringenden weißen Bart, der freudig bebte, als er über etwas lachte, was Montbazon zu ihm sagte. Der Duc de Montbazon saß neben d'Epernon. Die Ledervorhänge der Kutsche waren zurückgezogen, um die Wärme und irische Luft des Frühlings hineinzulassen, aber auch den Gestank der Straße. Wer die Männer ihm gegenüber waren, konnte ich von hinten nur vermuten: La Force und Laverdin.
    »De Praslin ist nicht bei ihm«, bestätigte ich. Vier Stunden Warten, um ein Palastgerücht zu bestätigen, dass Heinrich tatsächlich in der Kutsche ausfahren würde. Jetzt sah ich überdies bestätigt, was mir ein Page gegen ein entsprechendes Entgelt noch anvertraut hatte. Charles de Praslin, Hauptmann der Garde, überwachte auf Heinrichs Befehl hin die Vorbereitungen für den Einzug Maria di Medicis als Königin in den Palast am folgenden Tag. Damit blieben nur ein paar Mann zu Fuß sowie eine Handvoll Berittener.
    Die Geschichte sagt, des Königs Kutsche sei durch den Zusammenstoß zweier Karren aufgehalten worden sowie durch eine Schweineherde, die sich auch noch in das Chaos mischte, und das ist wahr. Die Geschichte erzählt jedoch nicht davon, dass diese drei Männer – die beiden Wagenfahrer und der Schweinehirt – für diesen Unfall gut bezahlt worden sind, während ich allen Grund habe, das als sicher zu erachten.
    Während die quiekenden Schweine in die Straße bogen und Männer und Frauen vor sich her trieben, sah ich etwas, wofür ich nicht hätte bezahlen können: Mit Ausnahme der Berittenen verschwanden sämtliche Soldaten und Diener zu Fuß, die Heinrich begleiteten, auf den Cimetière des Innocents. Offensichtlich nutzten sie ihn als Abkürzung, um weiter die Straße hinunter, jenseits der ineinander verkeilten Karren, auf ihren Herrn zu warten.
    Von Heinrichs zwei Kutschern bahnte sich einer einen Weg in die Menge hinein, beschwerte sich bitterlich und wedelte mit den Händen in Richtung der Karrenfahrer. Der andere beugte sich vor, um sein Strumpfband zurechtzurücken. Es war ein flaschengrünes Seidenband, nicht allzu sauber; ich erinnere mich bis heute daran.
    Die Berittenen werden reichen, Ravaillac aufzuhalten, dachte ich und blickte zu ihnen. Allesamt befanden sie sich hinter der Kutsche.
    Einer erregte meine Aufmerksamkeit.
    Bisweilen ist es nicht gerade von Vorteil, der größte in einem Raum oder auf der Straße zu sein. Der Reiter, den ich meine – einer von d'Epernons Männern, den ich flüchtig kannte –, schob sich durch die Menge und hielt neben mir an. Die Hufe seines Pferdes klangen hohl und fest zugleich auf dem Pflaster, dem Schlamm und dem Dreck der Straße.
    »Messire Rochefort!« De Vernyes blickte nach unten. »Hat der Herzog Euch geschickt, um den König abzuholen? Vielleicht könntet Ihr mir dann auch helfen, diese Bauern aus dem Weg zu schaffen.«
    Ich bin es gewohnt, meinen Gesichtsausdruck zu beherrschen, und so glaubte ich nun auch, dass man mir mein Entsetzen darüber nicht ansehen konnte, in Gegenwart von Monsieur Ravaillac mit meinem echten Namen angesprochen zu werden – und gesagt zu bekommen, dass es ausgerechnet mein Herr war, den der König besuchen wollte.
    »Schaut mich nicht so an.« Der Reiter beugte sich aus dem Sattel und grinste mich an. »Es gibt nichts, worüber Ihr Euch Sorgen machen müsstet. Es sei denn, Sully hat seine Finger in der Kasse. Nein, das war nur ein Scherz, Messire Spanier. Zieht nicht gleich blank! Helft mir lieber, diese verdammte Kutsche wieder auf den Weg zum Arsenal zu bringen.«
    Sofort erkannte ich, dass François Ravaillac nicht mehr neben mir stand; deshalb reagierte d'Epernons Mann auch nicht auf ihn.
    Wo zum Teufel ist der Mann!, fluchte ich im Geiste, während ich eine einlullende

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